Das Gift der Drachen Drachen3
langsam auf den Boden herab, Gen gegenüber. Meine Beine zitterten vor Erschöpfung. Gen umhüllte der weiche, pralle Geruch von Wohlstand: gewaschene Kleidung, milchige Hautcreme, gebratenes Fleisch und steifes, neues Leder.
Savga stahl sich auf meinen Schoß. Sie blieb angespannt und ruhig sitzen, das Gesicht an meine Brust gepresst, und erschauerte dann einmal kurz. Mir schoss das Bild eines Blattes durch den Kopf, das erzittert, nachdem ein Regentropfen es getroffen hat.
»Du brauchst einige Dinge, Babu, wenn du hier eine Weile leben willst«, sagte Gen. »Kleidung, vielleicht Cremes …?«
Ich dachte einen Moment nach. »Schriftrollen«, antwortete ich dann ruhig. »Aus der Bibliothek der Drachenjünger. Über die Geschichte von Xxamer Zu.«
Auf Gens Miene zeichneten sich rasch nacheinander Überraschung, Zögern und dann Besorgnis ab.
»Ich werde sie verstecken. Keiner wird davon erfahren.«
Er nickte bedächtig.
»Und Ihr sucht nach ihnen, ja? Ihr lasst die Straßen kontrollieren, die von Xxamer Zu wegführen?« Ich sprach von Tansan, ihrem Gebieter, ihrem kleinen Sohn und ihrer Mutter Fwipi.
»Das ist zwar sinnlos, aber ich werde es tun. Es ist vergebliche Mühe, als wollte man versuchen, den Wind zu fangen.«
Mir war klar, dass er vermutlich recht hatte. Savgas Familie waren Djimbi. Sie würden keinerlei Spuren in Steppe und Dschungel hinterlassen.
»Wir könnten noch eine Schlafmatte gebrauchen«, fuhr ich dann fort, »sowie Nadel und Faden, damit ich Savgas Yungshmi flicken kann.«
»Ich besorge ihr einen neuen.«
»Nein. Ich will nicht, dass sie sich von den anderen Kindern hier unterscheidet.«
Er akzeptierte meine Klugheit mit einem Nicken.
Wir betrachteten einander eine Weile, während aus unseren Gesichtern im Kerzenlicht tiefe Schatten flackerten.
»Erzählt mir von Ghepp«, sagte ich schließlich.
Er seufzte und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Das hatte er heute sehr häufig getan, so als würden die Sorgen seine silberbärtigen Wangen in schweren Schichten bedecken und ihn zu zerquetschen drohen. Im Licht der Kerze flackerten die Altersflecken auf seinem geschorenen Schädel.
»Ghepp muss mit großer Vorsicht behandelt werden«, murmelte er zwischen seinen dicken Fingern. »Wie Glas, heho.«
»Was soll das heißen?«
Er ließ die Hände sinken und sah mich finster an. »Das bedeutet, er will von dir das Geheimnis erfahren, wie man Bullen in Gefangenschaft züchtet. Deshalb ist er bereit, uns zu dulden. Bis zu einem gewissen Punkt. Aber er zweifelt an deiner Fähigkeit, tatsächlich etwas von einem Drachen erfahren zu können. Er hat Zweifel, viele Zweifel, die wie Fledermäuse, Schwalben und Tauben in ihm herumflattern.«
»Das hat er Euch erzählt?«
»Nicht mit so vielen Worten.« Gen runzelte die Stirn. »Sieh ihn dir an, Babu, sieh, wer er ist, nicht mit den Augen, nein, sondern mit deinem Verstand! Er hat sein Leben in Kratts Schatten verbracht, in dem Wissen, dass aus einer Laune seines Vaters heraus ein erstgeborener Bankert Brut Re erben würde und nicht er. Er hat mit dieser Schande leben müssen, während Kratt sein Leben mit der Vorbereitung auf Amt und Würden verbrachte. Mentoren, Schriftrollen und Balladen waren Ghepps Lehrer im Frauenflügel von Roshu-Lupini Res Anwesen. Kratt dagegen … Ha! Als Junge wurde er von Schwertmeistern unterwiesen, von Kanzlern, Drachenmeistern! Diese Leute waren aus anderem Holz geschnitzt. Man muss sehr vorsichtig vorgehen, wenn man mit einem Mann wie Ghepp zu tun hat, einem Mann, der Furcht vor Größe hat, aber dennoch davon träumt.«
»Kennt er Eure Pläne für eine Rebellion?«
Gen nickte. »Es sind nicht nur meine Pläne. Dahinter stehen noch andere. Ausländische Immigranten, Handelsbarone, Roshus, die aufs Altenteil geschoben wurden, Paras, die unehrenhaft aus der Armee des Imperators entlassen wurden … Sie alle planen die Entkolonialisierung und träumen davon. Glaubst du, ich hätte Ghepp erfolgreich dazu bringen können, eine solch riskante Wette einzugehen, wenn ich allein gehandelt hätte? Ebenso gut hätte ich versuchen können, einen Wurm dazu zu bringen, einen Vogel anzugreifen! Die Rebellion reicht viel weiter, als du ahnst.«
Doch in diesem Moment verblasste das Ausmaß von Gens aufrührerischem Netzwerk vor der bitteren Wahrheit, die mir unaufhaltsam dämmerte.
»Das hier ist nicht meine Brutstätte, habe ich recht?«, fragte ich gelassen.
Gen betrachtete mich mit Augen, die schimmerten wie
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