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Das Gift der Drachen Drachen3

Das Gift der Drachen Drachen3

Titel: Das Gift der Drachen Drachen3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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Schädel auf den Boden.
    Eine Frau in der Menge rief Oblans Namen. Oblan brach in Tränen aus und streckte ihre Arme in das Dunkel hinaus. Ich hob sie auf den Boden, und sie rannte, schwach und mit wackligen Knien, auf einen der Schatten zu. Sie wurde aufgefangen, umarmt, geküsst, umringt, gedrückt und getätschelt. Das Schluchzen von Mutter und Kind, das Murmeln, das Murren, das Weinen von Tanten und Onkeln erklangen in trauriger Freude im Wind.
    »Runami! Runami, mein Kind!«
    Runami sprang vom Karren, lief rasch zwischen zwei Paras hindurch, die uns flankierten, und war im nächsten Moment wieder mit ihrer Familie vereint.
    Erschöpft kletterte ich vom Karren und setzte Savga auf den Boden. Ich barg kurz mein Gesicht an ihrem weichen Hals und sog ihren Duft nach warmem Brot ein. »Geh zu deiner Mutter, Savga.«
    Sie blieb neben mir stehen, schwankte vor Erschöpfung und blickte auf die silbrig schimmernden Schatten, die vor uns wogten. Eine unheimliche Stille senkte sich über den Arbiyesku. Alle starrten Savga und mich an. Ihre Augen wirkten wie viele winzige Monde.
    Ich schob Savga auf ihre Familie zu.
    Sie rief nach ihrer Mutter.
    Schweigen antwortete.
    Schließlich trat eine Frau vor, eine alte Frau. Tiwana-Tante. »Tansan ist verschwunden. Sie hat ihren Sohn und ihren Gebieter mitgenommen. Meine Schwester ist mit ihnen gegangen. Und Alliak. Sie alle sind verschwunden.«
    Ich versuchte ihre ernsten Worte zu begreifen. Tansan war verschwunden? Und Fwipi? Fort?
    »Wohin?« Mehr brachte ich nicht heraus.
    Tiwana-Tante wandte den Blick ab und zuckte mit den Schultern. »Zu viele Kinder wurden dem Arbiyesku weggenommen. Zu viele Kinder den Kus dieser Brutstätte. Niemand kann ihnen vorwerfen, dass sie weggegangen sind.«
    Savga schob ihre Hand in meine. Ich starrte ungläubig, entsetzt auf sie herab. Mit eingefallenen, entzündeten Augen sah sie mich an.
    »Ich bin hungrig«, flüsterte sie.
    Ich leckte mir meine rissigen Lippen, suchte nach Worten, um ihr zu erklären, was sie zweifellos längst verstanden hatte. Ich hockte mich neben sie und legte ihr beide Hände auf die schmalen Schultern.
    »Du hast hier Familie, Savga. Tiwana-Tante. Und Freunde. Oblan, Runami …«
    »Du hast den Kanzler dazu gebracht, uns freizulassen. Du wirst meine Mutter finden.« Ihr Blick ließ mich nicht los.
    Ich schluckte. »Savga … Ich weiß nicht, wohin sie gegangen ist.«
    Sie seufzte, schloss die Augen und lehnte sich an mich. »Trag mich.«
    Ich hob sie hoch. Ihre Beine baumelten gegen meine Knie, und ihre kleinen Zehen streiften meine Waden. Sie wog viel mehr, als ich tragen konnte. Ich fragte mich unwillkürlich, wie es mir heute Morgen gelungen war, sie zu schleppen.
    Schwankend trat ich einen Schritt vor. Die Reihe der Paras öffnete sich wie ein Tor vor mir. Tiwana-Tante trat mit ausgestreckten Armen auf mich zu, um mir Savga abzunehmen. Die Adern auf ihren runzligen Händen wirkten im Licht des Mondes wie silberne Rinnsale. Als ihre sehnigen Hände Savgas Taille umfassten, wurde das Kind in meinen Armen etwas leichter.
    Savga versteifte sich. Und schrie.
    Ihr Schrei schien die Nacht aufzureißen wie den Bauch einer schwarzen Dschungelkatze. Mond und Sterne verwandelten sich in blutrote Tropfen, das schwöre ich. Und die gewaltigen schwarzen Wolken, die unaufhaltsam näher krochen, wirkten plötzlich geisterhaft fahl.
    Auf uns alle, Tempelakolythen, angeheuerte Söldner, Mütter, Väter, Kinder, fiel die blutige Schuld am Verlust von Savgas Kindheit.
    Ich drückte sie an mich, flehte sie an, mit dem Schreien aufzuhören, schloss die Augen vor dem rötlichen Eiter, der aus Mond und Sternen strömte. Ich wiegte sie, schüttelte sie, weinte.
    Ganz gleich, was auch geschehen würde, ich würde mich niemals mehr von diesem Kind, diesem einen Kind, abwenden. Niemals.
    Ihr Schrei schien nicht zu enden, sondern zu ersterben, als ihre Seele, ihr Herz ausgeblutet war. Erst als es vorbei war, vermochte ich endlich wieder die Augen zu öffnen. Das unirdische, blutrote Licht, das uns alle in Schuld und Scham und herzzerreißenden Verlust getaucht hatte, war so durchscheinend wie Serum geworden. Allmählich drangen die silbrigen Strahlen des Mondes und der Sterne wieder zu uns herab und verwandelten uns erneut in schieferfarbenen, bleiernen lebendigen Stein.
    Tiwana-Tante sah mich an und murmelte etwas auf Djimbi. Ich wusste, dass mein Herz bis zu meinem Tod gebunden war, dass sich alles, was ich von diesem Moment an dächte und

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