Das Gift der Drachen Drachen3
seinem gleißenden Licht. Dreißig Meter unter uns blitzte der Dschungel so giftig grün auf wie die Augen einer Dschungelkatze.
Ich versuchte es erneut. Die stählerne Klinge traf auf Leder. Im selben Moment erwischte uns eine weitere Windbö und warf uns zur Seite. Das Messer fiel mir aus der Hand und wirbelte in die Tiefe.
Der angeschnittene Lederriemen straffte sich und riss mit einem lauten Knall. Die plötzliche Trennung von dem Drachen hinter uns wirkte, als hätten wir Haltetaue abgeworfen. Danach flog meine Escoa ruhig und stetig weiter.
Ich hob den Kopf und spähte durch den peitschenden Regen, konnte jedoch Ryn hinter mir nicht sehen. Er flog mit Savga unter sich. Ihre Handgelenke waren an die Sattelgriffe gebunden, damit sie nicht hinabrutschte. Ich war nicht sicher, wie viel Zeit vergangen war, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Ebenso wenig konnte ich den Drachenmeister vor mir erkennen, hinter dem Piah hockte. Seit wir in diesen Sturm geraten waren, hatte ich die Orientierung verloren.
Wir hatten den Arbiyesku auf drei Drachen verlassen, als gerade die Morgendämmerung durch die Wolken schimmerte, die wie Parasiten über den Himmel wimmelten. Ich flog allein. Eigentlich hatte Savga mit dem Drachenmeister fliegen sollen, aber das ging nicht, denn er brauchte Piah, der ihm Anweisungen gab, wie er zu dem Myazedo-Lager kam, so gut Piah das aus dieser bizarren Perspektive vom Rücken eines Drachen aus vermochte. Ryn hatte als Botenschüler mehr Erfahrung darin, einen Drachen zu fliegen, also war es sicherer, wenn Savga mit ihm flog, statt mit mir.
Jetzt konnte ich nur an Ryns knochigen Rücken und seine Jugend denken und wie närrisch es war, Savgas Leben einem dreizehnjährigen Jungen anzuvertrauen.
Donner hämmerte wie eine Keule gegen meinen Kopf. Ein Blitz zuckte über den Himmel und hinterließ einen metallischen Geschmack in der Luft. Meine Haut kribbelte fast unerträglich, als wäre ich von einer Klauevoll Skorpione gestochen worden.
Ich konnte mich nicht länger festhalten. Ich würde in den Tod stürzen, ganz bestimmt würde ich das.
Lande, dachte ich. Ich wollte, dass mein Drache landete. Weit unter uns wirkte der Dschungel wie eine große, behaarte grüne Faust, die drohend in unsere Richtung geballt war.
Erneut blitzte es. In dem gleißenden Licht wirkten der Regen wie Milch und die Schwingenhaut wie nasser, sich kräuselnder Alabaster. Die Finger meiner Hand sahen wie Knochen aus. Ich flog weiter in die graue Dämmerung, die ein Morgengrauen sein konnte, ein Vormittag oder sogar schon Mittag. Es war unmöglich zu erkennen.
Wieder donnerte es mit einer solchen Gewalt, dass ich den Lärm in meiner Brust spürte, als wäre der Muskel meines Herzens von ihm berührt worden.
Mein Drache ließ plötzlich seine Hinterbeine sinken und hob den Hals himmelwärts. Ich lag fast senkrecht in der Luft, stand in meinen Steigbügeln und kreischte vor Angst, als ich mit einer Hand vom Haltegriff abrutschte. Ich sank nach hinten …
Rechts und links neben mir peitschten Schwingen die Luft wie riesige, lederne Laken, und wir landeten. Diesmal nicht mit einem heftigen Ruck, sondern weich, als wäre der Grund außergewöhnlich nachgiebig, federnd. Äste und Laub peitschten mir ins Gesicht und gegen den Körper, als meine Escoa auf alle viere sank. Ihre Muskeln arbeiteten angestrengt, während sie um ihr Gleichgewicht rang. Regen prasselte wütend auf uns herunter, und der Wind heulte über die Büsche und Bäume.
Ich schüttelte mich, richtete mich im Sattel auf und spähte durch die Zweige in den Himmel, während ich meine Augen mit einer Hand vor dem Regen schützte.
»Savga!«, brüllte ich. »Ryn!«
Über mir gab es nur dicke Wolken, peitschenden Regen und tosenden Wind. Ich sah mich um. Waren wir vielleicht verfolgt worden?
Großer Drache!
Meine Escoa war auf einem Baum gelandet, der dicht an einer Klippe stand. Seine Äste ragten hinaus über ein vom Wind gepeitschtes Dschungeltal. Die Wipfel der Bäume ächzten und schwankten weit unter uns im Wind, während der Baum, auf dem wir gelandet waren, bedrohlich knarrte. Die Zweige wogten und bogen sich im Sturm, Blätter flogen durch die Luft, und abgebrochene Äste fielen zu den hängenden Gärten aus Schlingpflanzen, Moos und anderen Pflanzen weit unter uns hinab. Der Erdboden war von hier aus nicht zu sehen.
Ich lag im Sattel und schmiegte mich an das lederüberzogene Holz. Ich atmete flach und zögernd, als könnte allein das Heben
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