Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
Vom Netzwerk:
sein.«
    Alban nickte. »Es muss aber doch noch jemand in diesem Verein gewesen sein. Soviel ich weiß, kann man zu dritt keinen Verein gründen.«
    Bernardi winkte ab. »Das haben wir nicht so genau genommen. Wir waren gar nicht im Vereinsregister. Das Projekt war damals in der Anfangsphase, und wir haben noch Mitglieder gesucht. Aber es wurde nichts daraus. Wir haben außer diesem Konzert noch ein paar Vorträge organisiert, und das war es. Finito .«
    »Und Sie und Joch?«
    »Was meinen Sie?«
    »Wie hat sich Ihre Bekanntschaft weiterentwickelt?«
    Bernardi warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Ich bin nicht homosexuell, falls Sie das ansprechen möchten.«
    »Das meine ich auch nicht.«
    »Ich habe Joch schon sehr lange nicht mehr gesehen. Deshalb war ich auch neugierig, was Sie mir erzählen würden. Stattdessen erzähle ich Ihnen nun mein ganzes Leben, und ich frage mich, warum. Wenn ich Sie recht verstanden habe, ging es doch um eine Partitur?«
    »Sie haben recht. Entschuldigen Sie, dass ich so neugierig war. Aber wenn Sie das Manuskript gesehen haben, werden Sie es verstehen. Lassen Sie mich Ihnen die Partitur zeigen, bevor das Essen serviert wird.«
    Bernardi lächelte. »Ich dachte schon, Sie würden den Vorschlag nie machen. Lassen Sie sehen.«
    Alban spürte leichte Aufregung, als er die Mappe öffnete und das Papier herauszog.
    Bernardi studierte das Titelblatt, und sein Gesichtsausdruck wurde ernst. Nach Albans Meinung ließ er sich ziemlich lange Zeit, bis er den Notenteil aufschlug. Dann sah er auf. »Hat Herr Joch irgendetwas gesagt, als er Ihnen das gab?«
    »Nichts. Ich habe ihn gefragt, wo er das Manuskript herhat, aber er hat behauptet, das tue nichts zur Sache. Ich hatte den Eindruck, es ginge ihm hauptsächlich darum, von mir zu erfahren, ob diese Musik Qualität hat.« Alban wurde bewusst, dass er sich in die Lüge, die Partitur sei direkt von Joch gekommen, gut eingefunden hatte. Mittlerweile glaubte er fast selbst daran.
    Bernardi begutachtete die Notenschrift. »Und was halten Sie von dem Stück, Herr Kollege?«, fragte er, ohne seinen Blick von den Noten zu nehmen. »Hat es in Ihren Augen Qualität?«
    »Vielleicht hat er einen jungen Komponisten gekannt, der sich einmal im Barockstil versucht hat. Vielleicht kannte er aber auch einen Musikwissenschaftler, der das Stück in einem Archiv abgeschrieben hat, und er wollte wissen, ob es sich um einen bedeutenden Fund handelt. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Und rein gefühlsmäßig … Das Stück hat etwas, würde ich sagen.«
    »Ein Musikwissenschaftler, auch ein Student, der so was in einem Archiv findet, hätte sich nicht an Herrn Joch gewandt, um etwas über den Wert des Stückes zu erfahren.« Mittlerweile war Bernardi auf den nächsten Seiten angekommen. »Mir erscheint die Theorie von dem jungen Komponisten plausibler zu sein.«
    »Kennen Sie denn jemanden aus Herrn Jochs Umfeld, der infrage käme? Vielleicht im Zusammenhang mit dem Verein?«
    Bernardi schüttelte den Kopf. »Vergessen Sie den Verein. Da hat es nicht viele Kontakte gegeben.«
    »Aber vielleicht hat jemand von dem Verein erfahren und wollte unterstützt werden. Ich erlebe so etwas auch. Sie glauben nicht, wie viele junge Künstler sich an mich wenden – auf der Suche nach Hilfe im Konzertleben oder bei Schallplattenfirmen.«
    Bernardi las das Manuskript schweigend bis zum Schluss durch. Dann klappte er es zu und legte es hin. Er schwieg nachdenklich.
    »Ihnen ist sicher aufgefallen, dass der Komponist den Text einer Händel-Arie neu vertont hat«, sagte Alban. »Vielleicht haben wir es mit einer zweiten Fassung des Stückes zu tun. Vielleicht ist es die Abschrift eines Händel-Manuskripts. Es wäre eine Sensation, wenn …«
    Bernardi legte die Hände auf den Tisch, und Albans Blick fiel auf seine schwarz behaarten Handrücken. »Herr Alban, ich glaube, Sie steigern sich da in etwas hinein. Können Sie sich vorstellen, wie das Stück klingt?«
    »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Sie meinen die Satzfehler. Die merkwürdigen Stimmführungen in den Streichern und die gewagten Modulationen … Aber darauf kommt es ja nicht an.«
    Er berichtete, wie er mit seinem Streichquartett und Frederike Bertram versucht hatte, die Arie zum Klingen zu bringen. Bernardi hörte zu, und Alban bemerkte plötzlich einen amüsierten Ausdruck auf seinem Gesicht.
    »Wie ist die Aufführung ausgegangen?«, fragte der Dottore.
    Alban musste zugeben, dass die Sängerin gescheitert war.

Weitere Kostenlose Bücher