Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)
Stadt gekommen, als der alte Lord Mandible – der sich der Unzulänglichkeiten seines Sohnes schmerzlich bewusst war – auf der Suche nach einer Frau für ihn war, um den Fortbestand der Familie zu sichern. Lysandra entsprach Mandibles Zwecken durchaus, was umgekehrt auch für sie galt, und so heiratete sie den jungen Lord Mandible, während Bovrik noch als Gulliver Truepin Haarwuchsmittel verkaufte.
Es war der jährliche Spätsommerball der Nordstadt, auf dem Bovrik Lady Lysandra vorgestellt wurde. Sie hatte viel von dem charmanten und beliebten Fremden gehört und fand, es könnte praktisch und zugleich unterhaltsam sein, ihn als Helfer bei den Vorbereitungen für das Mittwinterfest zu engagieren. Zudem wusste sie natürlich, wie sich die Damen der Gesellschaft ärgern würden, wenn sie, Lady Mandible, den bezaubernden Baron für sich allein hätte. Bovrik, der aus völlig anderen Gründen ebenso glücklich über diese Fügung war, nahm die Stelle an und verlor keine Zeit, sich auf Withypitts Hall einzurichten.
»Ah«, seufzte er wohlig und strich mit der Hand über das gestärkte Leintuch. »Das ist doch das wahre Leben!« Ganz sicher war dies der amüsanteste und lukrativste Schwindel, den er je in die Tat umgesetzt hatte. Und indem er immer wieder etwas von Lady Mandibles Nippeskram mitgehen ließ, hatte er die Summe, die er hatte investieren müssen, um hierher zu gelangen, bereits wieder hereingebracht – und zwar mit Stil und in aller Bequemlichkeit. Selbst wenn er nur bis zum Fest bliebe, würde er seinen Reichtum bedeutend vermehrt haben.
Mit selbstzufriedenem Lächeln nahm er ein rechteckiges, mit Intarsien verziertes Kästchen vom Nachttisch und öffnete es. Es war mit rotem Samt ausgeschlagen und wies sieben Vertiefungen im Boden auf, vier davon mit je einem Glasauge bestückt. Sie lagen nebeneinander, alle mit dem gleichen starren Ausdruck. Auf den ersten Blick schienen sie identisch: ein Glaskörper von gebrochenem Weiß mit schwarz glänzender Pupille und blassblauer Iris. Bei näherem Hinsehen ließ sich dagegen erkennen, dass in jeder Pupille ein Edelstein funkelte und dass es lauter unterschiedliche Steine waren: ein Rubin, ein Opal, eine Perle und als neuester ein Smaragd.
Hmm, dachte er und ließ das Kästchen zuschnappen, noch drei, dann habe ich eins für jeden Tag der Woche.
Er seufzte tief. Gegen seinen Herzenswunsch hatte er beschlossen zu verschwinden, sobald er sein letztes Glasauge hätte – was hoffentlich bis zum Fest der Fall sein würde. Die jahrelange Laufbahn als Betrüger hatte ihn gelehrt, sein Glück nie zu lange an einem Ort herauszufordern, und auf die Einhaltung dieser selbst verordneten Regel war er stolz. Er verzog unwillig das Gesicht. Der Gedanke, sich von einer so bequemen Einnahmequelle trennen zu müssen, fiel ihm schwer, und in letzter Zeit hatte er sich tatsächlich bei Überlegungen ertappt, wie er seinen Abgang, wider besseres Wissen, vielleicht doch hinausschieben könnte. Lady Mandible – in mancher Hinsicht so verwandt im Geiste – schien seine Gesellschaft sichtlich zu genießen. Seine Vorschläge für das Fest gefielen ihr (von ihm stammte die Idee mit Trimalchio), und mit seinen leicht anstößigen Verbindungen, die er über die Jahre hin geknüpft hatte, konnte er ihr sogar bei ihren ausgefalleneren Plänen behilflich sein, was Dekoration und Unterhaltung anging. Auch von dem sogenannten Schmetterlingsjungen war sie anscheinend entzückt. Das war ein Glückstreffer gewesen. Bis zu seiner Begegnung mit Hector hatte Bovrik nämlich keine Ahnung gehabt, wo er im Winter Hunderte von Schmetterlingen auftreiben sollte.
Irgendeine Möglichkeit zum Bleiben wird sich wohl finden, sinnierte er. Nachdenklich strich er noch einmal über seinen Umhang. Der Pelz schien ihm all das zu repräsentieren, was ihm wichtig war.
Und warum sollte Jocastar nicht auch für meinesgleichen sein?, dachte er verbittert. Ich habe es verdient.
Als er über die Parkanlagen blickte, den Hang hinunter und weiter bis zu dem alten Eichenwald, musste er wieder an einen lange zurückliegenden Tag denken, als er noch der junge Jereome Hogsherd war, Sohn des Tucker Hogsherd, eines einfachen Waldbauern …
Kapitel 18
Erinnerungen
A
n diesem bewussten Morgen saß der junge Jereome am Fluss und sah den Schweinen seines Vaters zu, wie sie nach Eicheln wühlten und sie zerkauten (er bezeichnete die Schweine immer als die seines Vaters, denn selber wollte er mit ihrem Besitz
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