Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
schleimig aussehenden Pilzen lag auf dem silbernen Blatt. » Das sind mexikanische«, sagte sie und riss verschwörerisch die Augen auf. Ich wusste nicht, was das bedeuten sollte, aber ich lehnte ab und deutete auf meine Flasche. Dann streckte ich Tris die Hand entgegen. » Scheiß drauf, lass dich drücken«, sagte er und umschlang mich, aber es war eher ein Schwitzkasten als eine Umarmung. Jo ließ ein braunes Stückchen Pilz über ihrem Mund baumeln und schlang es dann herunter wie ein Vogelbaby, das seinen ersten Wurm verschlingt. Tris ließ mich los und öffnete gehorsam den Mund, als Jo ihn mit einem Pilz füttern wollte. Dann vergaß er unsere neue Freundschaft und trommelte ein paar Zoll über seinem Schoß auf einem imaginären Paar Bongos.
Biba öffnete ihre Faust und zeigte mir eine kleine weiße Tablette auf ihrer Handfläche. » Nimm ein E!« Sie kicherte. » Sie sind umsonst, von Guy!« Sie deutete auf eine Gestalt im Dunkeln. Die Mulden des Gesichts schimmerten für einen Moment im Flammenschein eines Zippos auf. Sie schob mir die Pille in den Mund und legte mir dann den Finger an die Lippen, um meinen Protest zu ersticken und dafür zu sorgen, dass ich die Droge wirklich bei mir behielt. Ich hatte keine Zeit, mich zu fragen, wer dieser Guy war oder warum er mir Ecstasy schenkte; die Tablette begann, sich auf meiner Zunge aufzulösen, bevor ich sie diskret ausspucken konnte. Ich musste mir etwas einfallen lassen und zwar schnell. Meine mangelnde Drogenerfahrung hatte weniger etwas mit einer prüden Moral und sehr viel mehr damit zu tun, dass man mir noch nie so etwas angeboten hatte. Selbst die Dealer, die am Tor meiner Schule herumgelungert hatten, hatten nur einen Blick auf mich geworfen und gleich gesehen, dass es sich nicht lohnte, mich anzusprechen. Einmal, auf einer Party bei Simon, hatte ein bisschen Marihuana die Runde gemacht, und ich hatte ungeschickt ein paar Züge genommen, als er nicht hinschaute. Aber es hatte nichts bewirkt, außer dass ich am nächsten Tag atemlos gewesen war, was mich mein Tennismatch gekostet hatte.
Immerhin war ich gut genug informiert, um zu wissen, dass Ecstasy und Wein sich nicht vertrugen, und ich hatte eine Menge von meinem Sekt getrunken. Während ich noch im Kopf mit meinen Optionen Squash spielte, nahm mein Mund mir die Entscheidung ab: Die Tablette hatte sich vollständig und bitter aufgelöst, und ich musste schlucken, um den Geschmack loszuwerden. Ich lehnte mich an die Seite des Sofas, nahm meine Position als Beobachterin wieder ein und wartete darauf, dass etwas passierte.
Ich sah Biba beim Tanzen zu und hoffte, dass ihr Verhalten mir einen Hinweis darauf geben würde, was ich zu erwarten hatte. Eine blasse Frau in einem langen weißen Kleid sollte eigentlich aussehen wie ein Gespenst, aber Biba leuchtete im Wirbel der Gestalten und sah so real aus wie niemand je zuvor. Sie schlängelte sich zwischen den anderen hin und her, und ich wartete darauf, dass etwas passierte.
Eine halbe Stunde. Nichts. Eine Stunde: Nichts, und ich hatte ein eingeschlafenes Bein vom langen Sitzen im Schneidersitz. Ich stand auf, um es zu beleben, und plötzlich war mir, als sauste ein kaputter Fahrstuhl mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Stockwerke meines Körpers. Meine Beine waren Spiralfedern, und der Boden unter meinen Füßen war aus Sand. Ich streckte die Hand nach dem Sofa aus und taumelte. Jemand zupfte an meinem Rocksaum, und Jo schaute zu mir auf. » Alles okay?« Ich schüttelte den Kopf. » Deine erste Pille?« Ich nickte. Sie und Tris wechselten einen nachsichtigen Blick– wie junge Eltern, die gurrend die ersten Schritte ihres kleinen Kindes beobachten. Ich folgte ihr hinaus auf die Balkonterrasse, beugte mich über die Brüstung und würgte trocken. Der nächste Körperteil, der das Haus verließ, war mein Unterkiefer, der unkontrollierbar und sicher auch kein bisschen schmeichelhaft zu klappern anfing. Jo wühlte in einer Tasche ihrer voluminösen Hose und fand irgendwann einen Streifen Kaugummi, den sie für mich auspackte. Es schmeckte nach Frucht, nicht nach Minze, und ich fühlte mich besser, als ich es im Mund hatte.
» Das hilft gegen die Kieferkrämpfe. Wenn du mehr brauchst, komm zu mir. Der Trick besteht darin, es rauszutanzen. Okay?« Biba kam hinter einem Lautsprecher hervor. Eine Woge von Liebe und Vertrauen durchströmte mich, und ich wusste, alles würde gut werden.
» Warum tanzt du nicht mit mir?« Was für eine gute Frage.
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