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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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sah diese Hand aus?«
    »Nur die Knochen, wie bei einem Skelett.«
    »Und diese Knochenhand lag unter dem Kopfkissen.«
    »Ja, ich nehme an, dass er sie jeden Abend dorthin gesteckt hat. Am Morgen nahm er sie dann wieder mit.« Sie unterdrückte ein Schluchzen und versuchte ein sarkastisches Lächeln: »Er hat sie wohl wieder in die Rocktasche gesteckt.«
    »Ein Talisman?«
    »Knochen! Uralte Knochen, weiß und blank und zerbrechlich!«
    »Woher stammen sie?«
    »Ich habe ihn selbstverständlich nicht gefragt.«
    »Aber was haben Sie mit der Hand gemacht?«
    »Ich nahm eins seiner Taschentücher und wickelte sie darin ein. Dann habe ich sie in sein Arbeitszimmer gebracht und auf den Schreibtisch gelegt.«
    »Und Sie haben nicht darüber gesprochen?«
    »Natürlich nicht. Ich konnte ihn doch schlecht fragen, warum er mit einer Totenhand unter dem Kopfkissen im Bett neben mir schläft!«
    Frau Ehrenhoffs Gesicht war jetzt aschfahl und sah knittrig aus. Die Rose war schlagartig verblüht. Als Wanner dies bemerkte, war es wie ein Schock: Er hatte mit einigen wenigen Fragen die ganze Schönheit dieser stolzen Frau zugrunde gerichtet.
    »Ja, vielleicht«, murmelte er. »Was hätten Sie auch fragen sollen …?«
    »Ja, was?«
    Er wusste es nicht. Für einen Moment setzte Schweigen zwischen ihnen ein. Frau Ehrenhoff schnäuzte sich. Wanner hustete. Seine Kehle war trocken. Er hätte gern noch einen Schluck Tee getrunken, aber die Tasse war leer. Sich selbst etwas einzuschenken, wagte er nicht. Ihn durchzuckte noch der Gedanke, wie eigenartig es doch war, dass er sich traute, dieser einflussreichen Bürgerin solche grausamen Fragen zu stellen, es aber nicht über sich brachte, sich unaufgefordert eine Tasse von ihrem Tee einzuschenken. Dennoch, er musste seinen Auftrag zu Ende führen.
    »Ich muss Sie in diesem Zusammenhang auch noch etwas anderes fragen«, versuchte er behutsam, den Anschluss zu finden.
    »Dann tun Sie es bitte.«
    »Sind Sie bekannt mit dem Fabrikanten Leopold Schaller?«
    »Ich? Mit Schaller bekannt? Der lebt doch in der Vorstadt.«
    »Oder Ihr Mann?«
    »Was sollte mein Mann mit Schaller zu tun haben?«
    »Das frage ich Sie.«
    Frau Ehrenhoff gab Wanner durch einen Blick zu verstehen, dass sie diese Frage für unangebracht hielt.
    »Möglicherweise gab es Verbindungen politischer Art zwischen den beiden, das wäre ja möglich. Ein Fabrikant kommt natürlich mit dem Stadtrat in Kontakt.«
    »Eine Verbindung wirtschaftlicher Art würde Sie also eher erstaunen.«
    »Das würde mich allerdings sehr wundern.«
    »Es ist aber so, dass Ihr Mann offenbar beträchtliche Schulden bei Herrn Schaller gemacht hat.«
    Sie senkte den Kopf.
    »Sie haben doch davon gewusst?«, bohrte Wanner nach.
    Sie nickte, ohne aufzusehen. Dann hob sie ruckartig den Kopf und sah ihn direkt an: »Unser Bankier, Herr Stromair, hat mir gestern mitgeteilt, dass unser Haus nicht nur gegenüber Herrn Schaller Verpflichtungen eingegangen ist, sondern auch bei dem Gewürzhändler Wetzel zu einem sehr beträchtlichen Teil verschuldet ist.«
    »Bei Wetzel?«, fragte Wanner verwundert.
    Frau Ehrenhoff lächelte bitter: »Bei diesem unseriösen Schacherer!«
    »Das ist in der Tat erstaunlich.«
    »Und ich muss hinzufügen, Herr Inspektor, dass unser Haus mit vielem gehandelt hat in seiner langen Geschichte, mit Keramik, Schmuck und edlen Metallen, sogar mit Holz und Fellen und Tierhäuten, aber niemals mit Gewürzen.«
    »Aber was kann ihr Mann dann für geschäftliche Beziehungen mit Wetzel gehabt haben?«
    »Jedenfalls hat er Schulden bei ihm gemacht«, sagte Frau Ehrenhoff mit verächtlichen Unterton. »Bei diesem Geschäftemacher, der im Schuldenturm haust …«
    »… und auf dem Henkersteg.«
    »Dort hat man meinen Mann aufgehängt wie einen Aussätzigen.«
    Frau Ehrenhoff brach in lautes Schluchzen aus, beugte sich nach vorn und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Ihr Körper wurde von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt. Ab und zu stieß sie einen würgenden Schrei voll tiefstem Schmerz hervor.
    Inspektor Wanner war erschüttert. Er stand hastig auf und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Ein Hausmädchen brachte ihm Mantel, Schal, Hut und Handschuhe, und er ging.

20 IM DUNKEL DER NACHT
    In Nürnberg war es jetzt stockdunkel.
    »Wir müssen jetzt gehen«, sagte Keiner.
    Pistoux zuckte mit den Schultern. Auf was für eine seltsame Geschichte ließ er sich da ein?
    »Bevor wir losgehen, wollen wir noch beten«, sagte Keiner.
    Die

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