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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Ordensbrüdern als Lehrer mir nachzuziehen, Leute, zu welchen ich das Vertrauen habe, daß sie mir treulich helfen werden, unsre Grundsätze in jun
gen Weltmenschen zu Fleisch und Blut werden zu lassen.
    Es möge der verehrlichen Behörde belieben, mein Gesuch und dessen Begründung mit Wohlwollen zu prüfen und mir alsdann ihre Befehle zuzustellen.
    Der Glasperlenspielmeister
     
    Nachschrift:
    Man erlaube mir, ein Wort des verehrten Pater Jakobus anzuführen, das ich mir bei einem seiner unvergeßlichen Privatissima notiert habe:
    »Es können Zeiten des Schreckens und tiefsten Elends kommen. Wenn aber beim Elend noch ein Glück sein soll, so kann es nur ein geistiges sein, rückwärts gewandt zur Rettung der Bildung früherer Zeit, vorwärts gewandt zur heitern und unverdrossenen Vertretung des Geistes in einer Zeit, die sonst gänzlich dem Stoff anheimfallen könnte.«
     
    Tegularius wußte nicht, wie wenig in diesem Schriftstück von seiner Arbeit übriggeblieben war; er hat es in dieser seiner letzten Fassung nicht zu sehen bekommen. Wohl aber hat ihm Knecht zwei frühere, viel ausführlichere Fassungen zu lesen gegeben. Er sandte das Schreiben ab und wartete auf die Antwort der Behörde mit weit geringerer Ungeduld als sein Freund. Er war zum Entschluß gekommen, diesen nicht fernerhin zum Mitwisser seiner Schritte zu ma
chen; so verwies er ihm ein weiteres Bereden der Angelegenheit und deutete nur an, daß ohne Zweifel bis zum Eintreffen einer Antwort eine lange Zeit vergehen werde.
    Und als sodann in kürzerer Frist, als er selbst gedacht hätte, diese Antwort einlief, erfuhr Tegularius nichts davon. Das Schreiben aus Hirsland lautete:
     
    S. Ehrw. dem Magister Ludi in Waldzell
     
    Hochgeschätzter Kollege!
    Mit nicht gewöhnlichem Interesse hat sowohl die Ordensleitung wie das Magisterkollegium von Eurem so warmherzigen wie geistvollen Rundschreiben Kenntnis genommen. Die historischen Rückblicke in diesem Schreiben nicht weniger als dessen sorgenvolle Blicke in die Zukunft haben unsre Aufmerksamkeit gefesselt, und gewiß wird mancher von uns diesen aufregenden und gewiß zum Teil nicht unberechtigten Erwägungen noch weiterhin Raum in seinen Gedanken gewähren, um Nutzen aus ihnen zu ziehen. Mit Freude und Anerkennung haben wir all die Gesinnung erkannt, welche Euch beseelt, die Gesinnung eines echten und selbstlosen Kastaliertums, einer innigen und zur zweiten Natur gewordenen Liebe zu unsrer Provinz und deren Leben und Sitten, einer besorgten und zur Zeit etwas beängstigten Liebe. Mit Freude und Anerkennung nicht minder lern
ten wir die persönliche und momentane Note und Stimmung dieser Liebe kennen, ihre Opferbereitschaft, ihren Tätigkeitsdrang, ihren Ernst und Eifer und ihren Zug zum Heldischen. In allen diesen Zügen erkennen wir den Charakter unsres Glasperlenspielmeisters wieder, seine Tatkraft, sein Feuer, seinen Wagemut. Wie sehr paßt es doch zu ihm, dem Schüler des berühmten Benediktiners, daß er die Historie nicht zu rein gelehrtem Endzweck und gewissermaßen in ästhetischem Spiel als affektloser Betrachter studieren mag, sondern daß seine Geschichtskenntnis unmittelbar zur Anwendung auf den Augenblick, zur Tat, zur Hilfsbereitschaft drängt! Und wie sehr auch, verehrter Kollege, entspricht es diesem Eurem Charakter, daß das Ziel Eurer persönlichen Wünsche ein so bescheidenes ist, daß Ihr Euch nicht zu politischen Aufgaben und Missionen, zu einflußreichen und ehrenvollen Posten hingezogen fühlt, sondern nichts andres zu sein begehrt als ein Ludi Magister, ein Schulmeister!
    Dies sind einige der Eindrücke und Gedanken, welche schon beim ersten Lesen Eures Rundschreibens sich ungesucht einstellten. Sie sind bei den meisten Kollegen dieselben oder doch ähnliche gewesen. In der weiteren Beurteilung Eurer Mitteilungen, Mahnungen und Bitten hingegen vermochte die Behörde zu einer so einmütigen Stellungnahme nicht zu gelangen. In der darüber abgehaltenen Sitzung wur
de namentlich die Frage, wieweit Eure Ansicht von der Bedrohtheit unsrer Existenz annehmbar sei, sowie die Frage nach der Art, dem Umfang und der etwaigen zeitlichen Nähe der Gefahren lebhaft besprochen, und der größere Teil der Mitglieder hat diese Fragen sichtlich ernst genommen und sich für sie erwärmt. Doch hat sich, wie wir Euch mitteilen müssen, in keiner dieser Fragen eine Mehrheit der Stimmen zugunsten Eurer Auffassung ergeben. Anerkannt wurden lediglich die Vorstellungskraft und der Weitblick Eurer

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