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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Körbe zu verkaufen, wagte sich Félicité nicht mehr dorthin. Einmal hatte er ihr eine gräßliche Szene gemacht. Sein Haß gegen die Rougons wuchs mit seinem Elend. Unter furchtbaren Drohungen schwor er, sich selber zum Recht zu verhelfen, da sich die Reichen zusammengetan hätten, um ihn zur Arbeit zu zwingen.
    In dieser Geistesverfassung nahm er den Staatsstreich mit der heißen, lärmenden Freude eines Hundes auf, der die Beute wittert. Die wenigen achtbaren Liberalen der Stadt hatten sich nicht untereinander verständigen können und hielten sich abseits, daher war Macquart natürlicherweise einer der am meisten im Vordergrund stehenden Betreiber des Aufstandes. Obwohl die Arbeiter schließlich eine klägliche Meinung von diesem Faulpelz bekommen hatten, mußten sie ihn im gegebenen Fall wie eine Fahne ansehen, unter der sie sich zusammenfanden. Doch als in den ersten Tagen die Stadt völlig friedlich blieb, glaubte Macquart, seine Pläne seien vereitelt. Erst als die Nachricht von der Erhebung der Landgemeinden einlief, begann er wieder zu hoffen. Um nichts in der Welt hätte er Plassans verlassen, deshalb erfand er einen Vorwand, um nicht mit den Arbeitern ausrücken zu müssen, die am Sonntagmorgen zu den Verbänden der Aufständischen von La Palud und SaintMartin deVaulx stoßen sollten. Am Abend desselben Tages saß er mit einigen Getreuen in einer Spelunke der Altstadt, als einer ihrer Anhänger mit der Kunde herbeieilte, die Aufständischen befänden sich wenige Kilometer von Plassans. Diese Nachricht war soeben von einem Boten überbracht worden, dem es gelungen war, in die Stadt zu dringen, und der der Kolonne die Tore öffnen lassen sollte. Der Jubel war unbeschreiblich. Namentlich Macquart schien vor Begeisterung den Verstand zu verlieren. Die überraschende Ankunft der Aufständischen kam ihm wie eine zarte Aufmerksamkeit der Vorsehung für seine Person vor. Und die Hände zitterten ihm bei dem Gedanken, daß er nun bald die Rougons an der Kehle packen könne.
    Indessen verließen Antoine und seine Freunde schnellstens das Café. Bald waren alle Republikaner, die noch in der Stadt geblieben waren, auf dem Cours Sauvaire versammelt. Dies war der Trupp, den Rougon gesehen hatte, als er zu seiner Mutter lief, um sich dort zu verstecken. Als die Schar auf der Höhe der Rue de la Banne angelangt war, ließ Macquart, der sich unter den letzten hielt, vier seiner Kameraden zurückbleiben, grobe Kerle mit wenig Verstand, die er dank seines Geschwätzes im Café gänzlich beherrschte. Er konnte sie leicht davon überzeugen, daß man die Feinde der Republik sofort festnehmen müsse, wenn man das größte Unglück verhüten wolle. In Wahrheit fürchtete er, daß ihm Pierre inmitten der Unordnung beim Einmarsch der Aufständischen entkommen könnte. Die vier großen Kerle folgten ihm mit vorbildlichem Gehorsam und schlugen heftig gegen Rougons Haustür. In diesem gefährlichen Augenblick zeigte Félicité eine bewundernswürdige Tapferkeit. Sie ging selbst hinunter und öffnete die Tür zur Straße.
    »Wir wollen zu dir herauf!« sagte Macquart barsch.
    »Gut, meine Herren, gehen Sie nur hinauf!« erwiderte sie mit ironischer Höflichkeit und tat, als erkenne sie ihren Schwager nicht.
    Oben angekommen, befahl ihr Macquart, ihren Mann zu holen.
    »Mein Mann ist nicht hier«, entgegnete sie, immer ruhiger werdend, »er ist auf einer Geschäftsreise. Er hat heute abend um sechs Uhr den Postwagen nach Marseille genommen.«
    Bei dieser mit klarer Stimme gegebenen Erklärung machte Antoine eine wütende Handbewegung. Er trat ungestüm in den Salon, ging in das Schlafzimmer, durchwühlte das Bett, sah hinter die Vorhänge und unter die Möbel. Die vier Kerle halfen ihm dabei. Eine Viertelstunde lang durchstöberten sie die Wohnung. Félicité saß unterdessen seelenruhig im Salon auf dem Sofa, damit beschäftigt, die Schnüre ihrer Röcke wieder aufzubinden, wie jemand, der im Schlaf überrascht wurde und nicht mehr die Zeit fand, sich ordentlich anzuziehen.
    »Es ist tatsächlich wahr, er hat sich davongemacht, der Feigling!« stotterte Macquart, als er in den Salon zurückkam. Trotzdem sah er sich immer noch argwöhnisch um. Er hatte das unbestimmte Gefühl, daß Pierre das Rennen im entscheidenden Augenblick nicht aufgegeben haben konnte. Er näherte sich Félicité, die gähnte.
    »Gib uns an, wo dein Mann versteckt ist«, sagte er zu ihr. »Ich verspreche dir, daß ihm nichts geschieht!«
    »Ich habe Ihnen die

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