Das Glueck einer einzigen Nacht
auf uns. Ich habe ihm versprochen, daß wir reiten gehen.“
Als Barbara aufstand, glitt Marvins Hand von ihrer Schulter zu ihrem nackten Arm. Bei dieser Berührung überlief sie ein sehnsüchtiger Schauer, und schnell trat sie einen Schritt zurück, um sich seiner gefährlichen Nähe zu entziehen.
„Dann sollten wir jetzt lieber gehen“, erklärte sie. „Mein mütterlicher Instinkt sagt mir, daß Danny sehr schnell ungeduldig wird.“ Stumm und ohne ihn auch nur einmal anzuschauen ging sie dann neben ihm her zu den Ställen.
„Auf welchem Pferd darf ich reiten?“ Danny konnte seine Ungeduld kaum mehr zügeln. Erwartungsvoll trat er von einem Fuß auf den anderen.
„Ich glaube, mit Navajo wirst du am besten zurechtkommen“, meinte Marvin und führte ein sanftmütiges Pony aus seiner Box, sattelte es für Danny.
Als Danny aufgesessen war, ging er zurück zu den Boxen, um seinem Araberhengst und einem temperamentvollen Füllen die Sättel aufzulegen. Dabei schaute er hin und wieder erstaunt zu Barbara hinüber, die jedoch jedesmal den Kopf abwandte, wenn sie seinen Blick auf sich spürte.
Barbaras plötzliche Lethargie störte ihn. Sie hatte immer Lebensfreude und Vitalität ausgestrahlt. Jetzt lernte er sie plötzlich von einer Seite kennen, die ihm ganz fremd war. Man konnte ihr Verhalten schon fast als apathisch bezeichnen.
„Fertig“, sagte Marvin und zog den Sattelgurt fest. „Die kleine Lady gehört dir.“ Barbara trat neben das Füllen. „Warum glaubst du, daß dieses Pferd am besten zu mir paßt?“ fragte sie, während sie sich in den Sattel schwang.
„Du bist genauso sensibel wie das Füllen.“ Gutgelaunt lächelte er sie an, bevor er seinen Araberhengst bestieg. „Es kann losgehen, Danny!“ rief er dem Jungen zu, und dann ritten sie entlang dem Grenzverlauf seines riesigen Besitzes.
Marvin machte sie auf historische Stellen aufmerksam, erklärte ihnen die Besonderheiten der Landschaft und erzählte, wie seine Vorfahren das Land erworben hatten. Eine Weile hörte Danny seinen Ausführungen gespannt zu.
Doch dann wurde ihm das gemäßigte Tempo der Erwachsenen zu langweilig, und er ritt vorneweg, um allein auf Entdeckungsreise zu gehen. Marvin zügelte sein Pferd, um es dicht neben Barbaras Füllen zu bringen.
„Jetzt, wo wir eine Minute Zeit für uns haben, möchte ich dir eine Frage über Hayden Petroleum stellen, Barbara.“
„Bitte“, sagte sie und ließ dabei ihren davonreitenden Sohn nicht aus den Augen.
„Wieso konntest du ganz allein entscheiden, als du die Hypothek meiner Bergwerke abgelöst hast? Bist du nicht einem Direktorium Rechenschaft schuldig? Es ist mir unverständlich, wie du in so kurzer Zeit grünes Licht für eine Transaktion von solcher Bedeutung bekommen konntest.“
„Ich besitze fünfundsiebzig Prozent aller Aktien von Hayden Petroleum. Ich brauche mir nicht die Zustimmung des Direktoriums zu holen, bevor ich ein Geschäft abschließe.“
„Wie schön, solche Macht zu erben.“ Marvin hatte die Lippen fest zusammengepreßt und blickte starr geradeaus.
„Ich habe nur einundfünfzig Prozent geerbt, und um die zu behalten sowie die restlichen Aktien zu erwerben, ‘mußte ich hart kämpfen. Während ich mit Jess Hayden verheiratet war, bestand mein einziger Kontakt zur Macht darin, die Reichen und Mächtigen in meinem Haus zu empfangen und zu unterhalten – eine Pflicht, die mir lag und die ich glänzend erfüllte. Als seine Witwe erwartete man von mir, daß ich mich anmutig zurückzog und mich nicht mit Dingen befaßte, von denen ich doch nichts zu verstehen schien.“ Sie machte eine Pause.
Als Barbara weitersprach, klang ihre Stimme bitter. „Jess hat seine Familie, die Direktoren, praktisch jeden in Dallas vor den Kopf gestoßen, indem er mir die Aktienmehrheit seiner Gesellschaft hinterließ. Zuerst hielten sie mich für naiv genug, das Erbe auszuschlagen. Dann glaubten sie, ich sei so dumm und würde auf ihren Vorschlag eingehen, die Hälfte meines Aktienpakets gegen einen Sitz im Direktorium einzutauschen.“
Marvin beobachtete, wie sie die Zügel hielt. Ihr Griff war fest und sicher. Er kannte den Ausgang ihrer Geschichte, bevor sie sie zu Ende erzählt hatte.
Schließlich hatte sie ihm bereits ein Beispiel ihres Mutes und ihrer Entschlossenheit geliefert.
„Es war ein aufsehenerregendes Ereignis, Marvin – die trauernde Witwe schickte ganz Dallas zum Teufel. Jess hatte seine Gründe, mir die Aktienmehrheit zu übertragen. Er hat
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