Das Glueck einer einzigen Nacht
Apfelwein an.
Verwirrt schaute Barbara vom einen zum anderen. Woher kam auf einmal diese seltsame Spannung zwischen den Männern?
Doc Akins ließ sich vor Barbara auf der Treppenstufe nieder und hob den Krug an die Lippen: Nachdem er einen tiefen Schluck genommen hatte, reichte er ihn an Barbara weiter. Aus Angst, nicht mit den Männern mithalten zu können, nippte sie nur an dem Wein, gab dann den Krug an Marvin weiter. Mit der Entschuldigung, nach Danny sehen zu wollen, stand sie auf und ließ die Männer allein.
Als sie nach einer Weile wieder zu ihnen auf die Terrasse kam, hatte sie das Gefühl, daß beide ganz schön dem Apfelwein zugesprochen hatten. Jim schenkte ihr ein liebevolles Lächeln, als sie sich wieder zu innen auf die Treppe setzte.
In der Zwischenzeit war Marvins Stimmung auf dem Nullpunkt angelangt. Doc Akins fing an, ihm auf die Nerven zu gehen! Nicht nur, daß er Barbara seine Zuneigung offen zeigte. Er machte außerdem keinerlei Anstalten zu gehen. Da hatte er sich nun vorgenommen, den guten Doktor unter den Tisch zu trinken, statt dessen einen trinkfesten Rivalen eingehandelt.
Dabei hatte Marvin ganz andere Dinge im Kopf, als sich mit Doc Akins zu betrinken. Zum Beispiel Barbaras samtweiche Haut und ihren vollen Mund. Heute abend fühlte er sich tiefverbunden mit ihr. Aber Jim redete unaufhörlich, lachte, flirtete, machte Barbara den Hof.
Nein! Jetzt hatte er einfach genug. Mit einem sehnsüchtigen Blick zu Barbara stand Marvin auf. „Ich sollte jetzt wohl besser nach Hause fahren“, erklärte er knapp.
Barbara entging Jims selbstzufriedener Gesichtsausdruck nicht. War es möglich, daß er Marvin absichtlich ausgetrickst hatte? Als sie aufstand, um sich von Marvin zu verabschieden, war seine Enttäuschung nicht zu übersehen. „Ich möchte dir noch einmal danken“, sagte sie bewegt. „Ich weiß nicht, was ich ohne deine Hilfe getan hätte.“ Sie hielt ihm die Hand hin, die er mit festem Druck umschloß.
„Barbara… ich…“ Er geriet ins Stottern, was ihm nicht oft in seinem Leben passierte, aber es fehlten Marvin einfach die Worte, die seine Gefühle ausdrücken könnten. So schaute er ihr nur tief in die Augen, drückte noch einmal ihre Hand und fuhr fort: „Ich bin froh, daß alles so gut ausgegangen ist.“ Dann ging er.
Barbara sank auf die Stufen zurück und starrte in die Dunkelheit. Sie merkte kaum, daß Jim seinen Kopf an ihr Knie lehnte.
„Auch ich bin froh, Barbara“, sagte er weich. „Ich kann es nicht ertragen, wenn Sie unglücklich sind.“
Sie wollte ihm gerade freundschaftlich die Hand auf den Kopf legen, als ihr Edward einfiel. Nein, es durfte nicht noch einmal passieren, daß sie die Zärtlichkeiten eines Mannes falsch einschätzte. Seufzend unterdrückte sie den Impuls und zog ihre Hand zurück.
„Ich weiß, Sie sind müde, und ich will Sie auch nicht länger aufhalten.“ Jim hob den Kopf und schaute sie an. In seinen blauen Augen lag tiefe Bewunderung, Langsam legte er die Hand in ihren Nacken und zog ihren Kopf zu sich herunter.
Sein Kuß war unsagbar zärtlich. Um ihn nicht zu verletzen, wehrte sich Barbara nicht dagegen. Aber sie erwiderte den Kuß auch nicht, wollte Jim nicht ermutigen. „Ich liebe dich, Barbara“, flüsterte er. „Ich glaube, ich habe dich schon immer geliebt. Ich mußte dich nur erst finden.“
„Bitte, Jim, sag doch so etwas nicht. Du machst dir ein falsches Bild von mir. Ich möchte dir nicht weh tun, aber ich darf dir nichts vormachen. Und deshalb muß ich dir sagen…“
Er legte ihr die Finger auf die Lippen. „Gib mir eine Chance“, bat er. „Mehr verlange ich nicht. Die Zeit ändert vieles. Wir können eine Zukunft haben, Barbara, wenn du es nur willst.“ Und bevor Barbara sich soweit gefaßt hatte, um ihm zu antworten, war er gegangen.
Regungslos blieb sie sitzen. War es nur ihre Niedergeschlagenheit, die ihr Angst machte, oder wiederholte sich die alte Geschichte tatsächlich?
Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, daß Danny schlief, beschloß Barbara, noch einen Spaziergang zu machen. Sie war viel zu unruhig und aufgewühlt, um ins Bett zu gehen. Die Hände in die Hosentaschen vergraben, wanderte sie tief in Gedanken versunken ziellos in die Dunkelheit hinein. Ohne es zu ahnen, hatte Jim sie in den gleichen Zwiespalt gestürzt, mit dem sie schon vor zehn Jahren zu kämpfen hatte. Sollte sie die Sicherheit an der Seite eines Mannes wählen, der sie liebte und verehrte, oder sollte sie weiterträumen
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