Das Glueck einer einzigen Nacht
Verzückung entführte. Liebe mich, flehten ihre Tränen, bevor sie ihre Bitte zunächst zärtlich, aber dann immer heftiger zum Ausdruck brachte. Und Marvin erfüllte ihren Wunsch und liebte sie, bis ihre Tränen versiegt und seine Leidenschaft gestillt waren. Viele Stunden später noch hielt er sie schützend in den Armen, schirmte sie vor den Zweifeln, die der neue Morgen bringen würde, ab. Er hätte gegen Himmel und Hölle gekämpft, um den Zauber dieser Nacht bis zum Morgengrauen zu bewahren.
„Er ist da! Beeil dich, Mami, er ist da!“ Aufgeregt rannte Danny auf die Veranda hinaus und auf den Jeep zu, der gerade vor dem Haus vorfuhr. Bevor Marvin noch angehalten hatte, bombardierte Danny ihn durch das geöffnete Wagenfenster bereits mit Fragen. „Hast du auch den Autoreifen mitgebracht?
Hoffentlich hast du den Schnorchel nicht vergessen!“
„Ich habe alles dabei“, beruhigte Marvin ihn lachend und öffnete die Wagentür.
„Nicht aussteigen!“ rief Danny und knallte die Tür so heftig wieder zu, – daß er dem verdutzten Marvin fast das Schienbein eingeklemmt hätte. „Wenn du ins Haus gehst, bieten sie dir nur Kaffee an, und wir kommen nie rechtzeitig weg.“ Marvin, der sich noch gut daran erinnern konnte, wie ungeduldig er als Junge immer gewesen war, nickte verständnisvoll und blieb sitzen. Währenddessen rannte Danny um den Jeep herum, kletterte auf den Beifahrersitz.
„Frauen!“ bemerkte er verächtlich. „Immer brauchen sie so lange. Wozu kämmt Mami überhaupt ihr blödes Haar? Es wird doch sowieso naß, wenn wir schwimmen gehen.“
„Heißt das, daß du deins nicht gekämmt hast?“ erkundigte sich Marvin belustigt und lehnte sich lässig in seinem Sitz zurück.
„Aber nein! Das tue ich nachher.“ Ungeduldig blickte Danny zu seiner Mutter hinüber, die eben die Terrasse betreten hatte. Dann kletterte er geschickt über Marvin hinweg, um ihr durch das geöffnete Wagenfenster zuzurufen: „Marvin hat es schrecklich eilig, Mami!“ Als Marvin ihm daraufhin einen vorwurfsvollen Klaps aufs Hinterteil gab, rutschte er schnell auf seinen Platz zurück und lächelte seine Mutter, die gerade neben ihm einstieg, schelmisch an.
„Es tut mir leid, daß ich euch warten ließ“, sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln, während sie den Picknickkorb vor sich ins Auto stellte.
„Wenn eine Frau so jung und frisch aussieht wie du, ist eine Entschuldigung unnötig“, erwiderte Marvin galant, woraufhin Barbara strahlte und Danny die Augen gen Himmel verdrehte.
Die glühende Mittagshitze hatte die Landschaft bereits ausgetrocknet, so daß sie auf ihrer Fahrt zum Stausee riesige Staubwolken aufwirbelten. Barbara fuhr sich mit dem Arm über die Stirn und lehnte sich ans geöffnete Fenster, um ihr Gesicht im Fahrtwind zu kühlen. Verstohlen blickte sie zu Marvin hinüber, der vergnügt mit Danny plauderte. Ihm schien der mangelnde Schlaf in der Nacht überhaupt nichts auszumachen. Im Gegenteil, er kam ihr direkt verjüngt vor. Er wirkte beinahe wie sein Sohn Danny. Sein Sohn! Wie selbstverständlich sie ihm im stillen bereits seine Rechte als Vater zugestand und wie arglistig sie die Tatsache nach außen hin verschwieg. Ihre Schuldgefühle waren auf einmal ebenso erdrückend wie die Schwüle im Jeep.
Wie konnte sie nachts die Geliebte dieses Mannes sein und ihn am Tag um seinen Sohn betrügen? Was war sie bloß für eine Frau? War sie verschlagen, wie Marvin ihr einmal vorgeworfen hatte, oder bloß vorsichtig? Konnten ein paar Liebesnächte die Jahre gegenseitigen Mißtrauens und Verachtung auslöschen?
Warum mußte sie in ihrem Leben nur immer kämpfen? Im Gegensatz zu Marvin war sie total erschöpft, und man sah es ihr an. Aber schließlich mußte Marvin auch nicht jenes drückende Geheimnis mit sich herumtragen, das ihr die innere Ruhe raubte. Gedankenverloren wischte sie die Schweißperlen weg, die sich in dem tiefen VAusschnitt ihres Badeanzugs gebildet hatten.
„Ein kühles Bad ist jetzt genau das Richtige.“ Obwohl Marvin ganz allgemein gesprochen hatte, galt sein schneller Seitenblick zweifellos Barbara. Er sah Dannys eifriges Kopfnicken, aber ihm fiel vor allem Barbaras Zerstreutheit auf.
Sie war wieder einmal tief in Gedanken versunken. Irgend etwas bedrückte sie.
Etwas sehr Persönliches, das sie ihm nicht anvertrauen mochte, trotz allem, was sie inzwischen miteinander verband. Diese Erkenntnis tat Marvin weh, aber sein Stolz verbot es ihm, mit ihr darüber zu sprechen.
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