Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Plastiktüte aus ihrer Tasche.
»Ich hab dir was mitgebracht. Früher hat er dir immer geholfen«, sagte sie leise und setzte meinen allerersten Teddy auf mein Bett.
Tränen schossen mir in die Augen.
Mein Vater wandte sich ab und blickte interessiert zum Fenster, als würde dort ein Ufo manövrieren.
Nein, das hätte ich nie gedacht, dass ich meinem treuen Fellfreund von früher in seinem hohen Alter noch mal solche Salzbäder zumuten würde.
Im Korsett
Die schöne blonde Hallo-Frau im Rollstuhl hieß Jasmin. Ich wurde in ihr Zimmer verlegt. In diesem Vierbettraum besetzten wir zwei nun viele Monate lang die Fensterseite – was ich zum Glück noch nicht ahnte. Ich glaubte noch immer, bald wäre ich wieder draußen. Das, was mir geschehen war, war einfach viel zu groß für meinen Verstand, der es nur in kleinen Stücken begreifen konnte. Die anderen beiden Betten in dem Zimmer wurden nur gelegentlich gebraucht, und niemand blieb so lange wie wir.
»Ich bin die Jasmin! Hallo!«
»Ich bin Ines. Warum bist du da?«, fragte ich neugierig.
»Ich bin im Urlaub in einen falschen Pool gesprungen. Es war das Kinderbecken, und meine Halswirbelsäule ist dadurch gequetscht worden.«
Erschrocken riss ich die Augen auf. Von solchen Unfällen hatte ich schon öfter gelesen. Aber dass es so was wirklich gab, also dass ich nun jemanden kennenlernte, dem das tatsächlich passiert war!
»Zuerst war ich ab dem Hals gelähmt«, erzählte Jasmin mit munterer Stimme.
»Ab dem Hals!«, wiederholte ich schockiert.
»Das war echt ätzend«, bestätigte Jasmin. »Aber jetzt kann ich meine Arme und Hände wieder bewegen. Leider nicht die Finger.«
»Das hat mir der Arzt auch gesagt. In den ersten drei Monaten kann sich alles verändern! Wie lange bist du denn schon da?«
»Ein Dreivierteljahr.«
»So lange!«, rief ich. »Ein Dreivierteljahr im Krankenhaus!« Das konnte ich mir nicht vorstellen.
»Ist gar nicht so schlimm«, erwiderte Jasmin. »Du wirst dich daran gewöhnen.«
Ich war sprachlos. Nein, daran würde ich mich nicht gewöhnen. Nie im Leben. Warum klang Jasmin so fröhlich, wo sie doch die ersten drei Monate schon lange hinter sich hatte und ihre Finger noch immer nicht spürte?
Bei der Visite fragte ich den Stationsarzt: »Ich habe da so ein komisches Gefühl.« Ich legte meine Hände an die Rippen. »Es ist, als wäre ich in ein Korsett geklemmt. Was ist das? Es ist ziemlich unangenehm.«
»Das ist typisch für den Übergang vom normalen zum gelähmten Bereich. Da gewöhnen Sie sich dran.«
»Bestimmt nicht!«
»Doch, doch, Sie werden sehen. Diese Empfindung verschwindet irgendwann.«
Als der Arzt draußen war, stiegen mir Tränen in die Augen. Ich fühlte mich überhaupt nicht ernst genommen. Ich dachte nach und beruhigte mich. Eigentlich hatte er mir Mut gemacht. Die Enge würde verschwinden – was sie nach einigen Wochen tatsächlich tat. Doch bis dahin bedrückte mich dieses seltsame Gefühl, und oft fasste ich an die Stelle, um immer wieder zu überprüfen, ob mir wirklich kein Gürtel die Luft abschnürte.
Und so lag ich im Bett, voll verkabelt. Jasmin und andere Zimmernachbarinnen rollten rein und raus, mobil in ihren Stühlen, und ich beneidete sie. Immer im Bett in diesem Zimmer. Die weiße Wand, Steckdosen, die Nachttische, die Tür, das Waschbecken, der graue Vorhang. Sobald ich einen Weißkittel entdeckte, löcherte ich ihn oder sie:
»Wann darf ich aus dem Bett raus?«
»Wenn wir die Drainage ziehen.«
»Wann ist das?«
»Wenn keine Flüssigkeit mehr rauskommt.«
»Wann kommt keine Flüssigkeit mehr raus?«
»Wenn es trocken ist.«
»Und wie lange dauert das ungefähr?«
»Vielleicht eine Woche? Vielleicht länger, vielleicht kürzer.«
Dann war die Drainage weg.
»Wann darf ich raus aus dem Bett?«
»Tja. Sie hängen noch an ziemlich vielen Schläuchen.«
»Die kann ich mitnehmen!«
»Ja, hm. Und den Katheter haben wir auch. Nun – vielleicht können wir es mal mit einem Rollbett versuchen?«
»Bitte!«, bettelte ich.
»Aber Sie müssen den Ständer mitnehmen, egal wohin, überallhin!«
»Ja! Ich mach alles. Aber bitte! Ich will endlich mal raus aus diesem Zimmer!«
»Sie hat einen Lagerkoller«, warf Jasmin ein und verdrehte die Augen, als würde sie einen epileptischen Anfall erleiden. Nur zu gern hätte ich ein Kissen nach ihr geworfen. Wir waren mittlerweile gute Freundinnen, und da gehört so was schon mal dazu. Leider waren wir ein klein wenig behindert in der
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