Das Glück ist eine Katze
–, auf dessen Grund eine dämlich aussehende Katze hockte und um dessen Rand lauter Miaus liefen:
Miau! Miau! Miau!
Sehr originell. Im Müslischüsselchen lag ein kleines Bilderbuch ›Sempés Katzen‹, die so rätselhaft, würdevoll, erst auf den
fünften Blick erkennbar und trotzdem dominierend in einer chaotischen Umgebung hocken, und wie’s drinnen aussieht – im Katzeninnern
– weiß nicht mal der Zeichner. Mitten auf dem Tisch stand ein Blumentopf mit blühender Katzenminze.
Katzenminze, das weiß jeder Katzenfreund, bringt fast jede Katz um den Verstand. Sieht sie diese Pflanze, gerät sie ganz aus
dem Häuschen, wälzt sich so lange darin, bis sie platt ist – die Katzenminze – dann erhebt sich die Katze und schreitet würdevoll
zurück in ihr Häuschen.
»Bestimmt hat er gedacht, ich wälz mich drin«, sagte ich zu Schlumpel, die gerade in die Küche |177| spaziert kam und auch frühstücken wollte, »aber ich denk nicht dran, mich zu wälzen.«
»Aber ich«, sagte Schlumpel, »wo ich doch Geburtstag hab«, sprang auf den Tisch, steckte die Nase in die Katzenminze, bekam
einen irren Blick, schubste den Topf auf den Boden, so daß er in Scherben ging, warf sich auf die Minze und rollte sie platt.
Nach drei Minuten, als von der Minze nur noch Minzentrümmer herumlagen, erhob sie sich und schritt würdevoll davon.
Ich fegte Minze und Scherben zusammen und trank erst mal Tee aus der Miauschüssel. Da es anfing zu regnen, mußte ich nicht
an die lebensverlängernde und zu blühendem Aussehen verhelfende frische Luft gehen und konnte in Ruhe zuerst die Erdbeer-Rhabarber-Marmelade
einkochen, die ich am Abend schon vorbereitet hatte, dann, weil Marmeladekochen eine sehr klebrige und sehr spritzige Angelegenheit
ist, die Küche mal wieder gründlich saubermachen, was eine Weile dauerte, und schließlich die Geburtstagspost lesen.
Die Briefe ähnelten sich auffallend. Ein jeder wies dezent auf meine Katzennärrischkeit hin. Mit bunten, glänzenden Katzenabziehbildchen.
Mit schwarzen Katzensilhouetten (Katze auf dem Fensterbrett, daneben ein Blumentopf – vermutlich keine Katzenminze, sonst
stünde er nicht mehr da). Über einen Brief war eine Katze gelaufen, was |178| man an den Pfotenabdrücken sehen konnte. Eine Postkarte mit der Zähne fletschenden ›Katze auf dem Dach‹ von Picasso. Eine
andere Karte mit einer unterernährten, aber heiligen Bastet-Katze, der Gratulant machte gerade eine Nilkreuzfahrt.
Auch der Inhalt der Geburtstagspäckchen bot Passendes: Ein Küchenhandtuch, halb Baumwolle, halb Leinen, auf dem sich zehn
schwarze und eine rote Katze tummelten. Eine Wärmflasche in Gestalt einer Katze, die die bisherige leckende Wärmkatze ablösen
konnte, und also ein sinnvolles Geschenk. Visitenkarten mit ganzen Katzenfamilien, die erhobenen Schwanzes um meinen Namen
herummarschierten. Eine winzige Katzenbrosche aus Silber, die ich gleich ansteckte. Ein Buch mit Gedichten von Reiner Kunze,
dem unter anderem der unsterbliche und unwiderlegbare Vers eingefallen war:
Der Mensch kann auf dem Mond erwachen, aber keine Katze machen.
Ich beschloß, mir daraufhin das Kunzesche Gesamtwerk zuzulegen. Dann gab’s einen Katzenkopf mit Funkelaugen, der sollte die
Vögel vom Kirschenklau abhalten, wenn er im Baum hing. Was er keineswegs tut, wie ich aus Erfahrung weiß, den letzten Katzenkopf
haben sie vollgeschissen, woraus ich schließe, daß Vögel Sinn für Humor haben.
Ich legte all die Katzen und Kater und Briefe und Karten auf den Geburtstagstisch und war |179| gerührt. Mitten in die Rührung hinein platzte Schlumpel und guckte sich meine Geschenke an. »Alles für mich!« sagte sie und
machte einen Hupfer. »Heut ist mein allerschönster Lebenstag!«
»Ja«, sagte ich, »das ist alles für die Katz.« Die Wärmflasche gefiel ihr am besten, ich mußte sie gleich in ihr Körbchen
legen, aber ohne heißes Wasser drin.
Dann kam Konrad zurück, was mich überraschte, dachte ich doch, er brüte gerade über einer spanischen Eröffnung. Er war sehr
übel gelaunt, weil er alle Partien verloren hatte. Um seine Laune zu verbessern und weil der Regen aufgehört hatte, schlug
ich ihm vor, ein bißchen an die frische Luft zu gehen, um unser Leben zu verlängern, unsere Backen blühender zu machen und
unsere Falten zu glätten.
»Ich geh mit«, sagte Schlumpel und begleitete uns, das heißt, sie erlaubte uns, sie zu begleiten, und so spazierten wir zu
dritt an
Weitere Kostenlose Bücher