Das Glück mit dir (German Edition)
überredet, in Louises Frühlingsferien eine Woche auf einer Ferienranch in Arizona zu verbringen.
Louise wünscht sich das. Und es ist eine Abwechslung, sagt sie.
Nina reitet eine lebhafte Schecke namens Apple. Der Cowboy bemerkt sofort, wie sie sitzt, wie sie die Zügel hält.
Sie sind schon mal geritten, sagt er.
Auch Louise reitet gut.
Philips Pferd, ein großer Fuchswallach, weigert sich, einen Schritt zu tun, und der Cowboy trabt zu ihm herüber und lässt entschlossen die Gerte auf die Flanke des Pferdes niedersausen. Der Fuchs wirft überrascht den Kopf hoch und schießt vor, Philip verliert das Gleichgewicht. Um nicht herunterzufallen, klammert er sich an den Sattelknauf.
Dad!, ruft Louise und fängt an zu lachen.
Nina dreht den Kopf weg, damit Philip es nicht sieht, und lacht ebenfalls.
Sorgen Sie dafür, dass er in Bewegung bleibt, sagt der Cowboy zu Philip. Nehmen sie die Zügel kurz, halten Sie seinen Kopf hoch.
Zeigen Sie ihm, wer der Chef ist, Phil, fügt der Cowboy hinzu.
Nur wenige Menschen nennen Philip Phil.
Und Iris? Für meinen Schatz Phil .
Mon petit Philippe – Nina denkt an Tante Thea. Großzügig und freundlich, lädt sie Nina und Philip ins Theater,ins Ballet, in teure Restaurants ein. Sie geht mit Nina auf Einkaufsbummel. Als Tante Thea stirbt, hinterlässt sie Nina ihre Diamant-Anstecknadel in Blütenform.
Wann hat sie die Nadel zuletzt getragen? Nina versucht sich zu erinnern. Bei einem Galadiner zu Ehren eines Kollegen von Philip, eines Nobelpreisträgers für Physik.
Sag mir noch einmal, wofür er ihn bekommen hat, bittet Nina, während sie den Safe zu öffnen versucht.
Für die Entdeckung der asymptotischen Freiheit in der Theorie der starken Wechselwirkung.
Für was? Sag das noch mal. Und sind es drei komplette Drehungen nach links bis zur 17? Oder drei komplette Drehungen nach rechts bis zur 17?, fragt Nina.
Asymptotische Freiheit zeigt, dass die Anziehungskraft zwischen Quarks geringer wird, je näher sie sich kommen, und größer, wenn sie sich weiter auseinanderbewegen. Hast du’s, Nina?
Gleich.
Die Entdeckung etablierte die Quantenchromodynamik als die korrekte Theorie von der starken Kernkraft, einer der vier grundlegenden Naturkräfte.
Hat er nicht mit seiner Frau zusammen ein Buch geschrieben? Philip, ich krieg diesen Safe einfach nicht auf.
Ja – darüber, wie Wissenschaftler zu ihren Theorien des Universums kommen und warum es überhaupt etwas gibt und nicht nichts. Seine Frau ist auch eine brillante Mathematikerin. Nina! Was machst du da drin? Wir kommen zu spät. Philip schreit fast.
Komm, lass mich.
Wie oft habe ich es dir schon gezeigt?, sagt Philip ruhiger, als er den Safe geöffnet hat. Es ist doch ganz einfach.
Einfach für dich, sagt Nina, plötzlich den Tränen nahe.
Ich will bloß nicht, dass wir zu spät kommen, sagt Philip.
Im Auto auf dem Weg zum Essen sagt Nina, die an der Diamantblütennadel herumnestelt, um sich zu vergewissern, dass sie sicher an ihrem Kleid befestigt ist: Lass mich dir meine Theorie des Universums erzählen, Philip.
Ihre Theorie vom Universum ist, dass es keine Theorie gibt.
Zum letzten Mal besuchen sie den Père Lachaise an einem Wintertag. Die Äste der Bäume sind kahl, die Zypressen ragen dunkel und abweisend in den Himmel. Die Töpfe mit den allzu bunten künstlichen Blumen, die auf den Gräbern stehen, lassen durch den Kontrast den Himmel noch grauer, noch düsterer erscheinen.
Feucht und kalt. Nina fröstelt in ihrer Daunenjacke. Willst du nicht neben mir begraben sein?, fragt sie.
Sie sind vor dem Grab von Gertrude Stein und Alice B. Toklas stehen geblieben.
Philip legt ihr den Arm um die Schulter und sagt: Und vergiss nicht, meine Asche leewärts zu streuen, sonst wird sie dir ins Gesicht geweht.
Am Bett sitzend, schließt sie einen Augenblick die Augen und ruft sich die Szene ihrer ersten Begegnung in Paris ins Gedächtnis.
Vous permettez?
Je vous en prie.
Gewöhnliche und vertraute Sätze, die ihr Vergnügen bereiten.
Worum geht es in Ihrem Buch?, fragt er sie außerdem.
Später gehen sie zusammen über den Boulevard Saint-Germain Richtung Boulevard Saint-Michel. Ihr fällt auf, dass er hinkt, aber sie sagt nichts. Inzwischen haben sie herausgefunden, dass sie beide daheim mit der gleichen Stadt vertraut sind, die gleichen Läden und Restaurants kennen, Grund genug, sich wiederzusehen. Unterwegs machen sie in einem Buchladen halt, wo sie gleich die Werke von Nathalie Sarraute findet. Sie
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