Das Glück reicht immer für zwei
plötzlich sein Jackett aus, löste die grüne Krawatte und öffnete den obersten Hemdknopf.
»Es stört dich hoffentlich nicht«, sagte er. »Aber ich fühle mich immer ein bisschen unwohl in diesem Aufzug.«
»Ich habe dich noch nie mit einer Krawatte gesehen.«
»In Guatemala hatte ich auch kaum Verwendung dafür.«
»Wahrscheinlich nicht.«
Ohne Krawatte erschien er ihr nicht mehr so unnahbar. Zwar war er noch immer nicht ihr Alejo, aber doch nicht mehr so distanziert wie zuvor.
»Ich will nicht, dass du länger bleibst«, sagte sie abrupt. »Ich brauche dich nicht.«
Er blinzelte und rieb sich das Kinn.
»Ich will dich nicht mehr ansehen und daran erinnert werden, dass du mich vor den Augen meiner Freunde zum Narren gehalten hast. Alle lachten über mich, und ich tat ihnen leid. Das Mädchen, das du verführt und dann verlassen hast. Das Mädchen, dem du deine Frau verheimlicht hast.«
»Ich wollte es dir sagen. Ich wollte dir erklären …«
»Ja, nachdem sie plötzlich aufgetaucht war! Nachdem ich erfahren hatte, dass sie schwanger ist! Wie, glaubst du, bin ich mir da vorgekommen? Du hättest mir von Anfang an reinen Wein einschenken sollen. Dann bist du nach Los Angeles abgereist und hast mich vergessen, was gut so ist, Alejo, denn ich bin froh darüber, weil ich nichts mehr von dir wissen will. Aber jetzt tauchst du einfach so hier auf, nur weil ich zufälligerweise an deinem Haus vorbeispaziert bin!«
»Du bist nicht zufällig vorbeispaziert. Du hast angehalten und dich umgesehen.«
»Es ist ein großes, auffälliges Haus«, entgegnete Mia. »Ich würde wetten, dass viele Menschen stehen bleiben, um einen Blick darauf zu werfen. Kann man es ihnen verübeln? Es ist so verdammt protzig, dass man nicht umhinkann, innezuhalten und zu glotzen. Ich konnte es mir nicht verkneifen. Überwachungskameras! Aber natürlich brauchst du die, wenn man bedenkt, dass deiner Familie das halbe Land gehört. Noch so etwas, was du damals in Guatemala vergessen hast, mir gegenüber zu erwähnen. Madre de dios, Alejo, und es gab noch ein paar Dinge, die du mir nicht erzählt hast.«
»Ich weiß, dass du noch immer wütend auf mich bist, und das
ist auch dein gutes Recht«, erwiderte Alejo. »Aber darf ich dir die Geschichte aus meiner Sicht erzählen?«
»Das hast du bereits getan: Du hattest eine Affäre mit mir, dann ist unvermittelt deine schwangere Frau aufgetaucht, und du bist mit ihr abgereist.«
»Die Umstände …«, sagte Alejo beschwichtigend.
»Sind mir völlig egal!« Mia hatte die Stimme erhoben. »Ich dachte, unsere Beziehung sei etwas Wunderbares und Besonderes und würde etwas bedeuten, doch für dich war ich nichts weiter als ein Urlaubsfick.« Das letzte Wort hatte sie auf Englisch gesagt, und er sah sie verwirrt an.
»Fick?«
»Ich weiß das spanische Wort dafür nicht«, sagte sie. »Weil ich es normalerweise nicht gebrauche. Du weißt schon, Alejo, jemand, mit dem man schnell mal ins Bett geht und den man dann wieder verlässt. Und genau das war ich für dich.«
»Das stimmt nicht. Es war wunderbar und etwas Besonderes mit dir, und es hat mir sehr wohl etwas bedeutet. Es war kein … kein Fick oder wie das heißt.«
»Was spielt das jetzt noch für eine Rolle, was es war oder nicht war?«, sagte sie müde. »Du hattest dein Leben – ein Leben, von dem du mir nichts erzählt hast –, und ich hatte meines. Und das ist okay. Ich bin glücklich. Du bist glücklich. Also lassen wir es doch dabei.«
Noch immer erregte er ihre Leidenschaft. Das war das Schlimmste. Trotz allem spürte sie ein brennendes Verlangen, entfachte er ihre Begierde genau wie vier Jahre zuvor.
»Ich hatte keine andere Wahl, als abzureisen«, sagte Alejo.
»O doch, das hattest du. Aber es wäre dir natürlich schwergefallen, deiner schwangeren Frau zu sagen, dass du eine Geliebte hast, und deswegen hast du den einfacheren Weg gewählt.«
Er nickte. »Ich hätte es dir sagen sollen, ich weiß. Es war falsch von mir, es dir zu verschweigen.«
»Du hast damals einen Fehler gemacht und machst jetzt wieder einen.« Sie schluckte schwer. »Und von mir war es ein Fehler, mir dein Haus anzusehen und dir Anlass zu der Vermutung zu geben, es gebe irgendeinen Grund, dass wir uns unterhalten müssten. Du solltest jetzt besser gehen, Alejo. Ich glaube nicht, dass wir uns noch etwas zu sagen haben.«
»Mia, bitte. Ich will, dass du weißt, wie leid es mir tut.« Er zeichnete mit dem Finger die Umrisse einer Blume nach, die
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