Das Glück reicht immer für zwei
Gedanken wanderten zu Mia, und er musste unwillkürlich lächeln. Nun, sie war schon eher seine Kragenweite. Es hatte ihm Spaß gemacht, mit ihr zu plaudern, und ihr umwerfendes, unverfälschtes Lachen war verlockender als Brigittes gekünsteltes Lächeln auf dem Foto.
Er legte das Foto zur Seite und wandte sich dem Terminplan zu. Neben Workshops im kreativen Schreiben gab es Fotografiekurse, Schmink- und Schönheitskurse, Scrabble- und Schachwettbewerbe und eine Reihe weiterer Aktivitäten, darunter Vorträge über Investments, die immer gern von den gut betuchten Passagieren besucht wurden. Doch aus Steves Sicht waren die wichtigsten Ereignisse die Valentins-Schatzsuche und der Valentinstag-Galaball. Einige der Passagiere konnten es kaum erwarten, bis die Schatzsuche endlich begann. Sie würde zum Teil auf dem Schiff und zum Teil auf der Privatinsel stattfinden, vor der sie vor Anker gingen. Und auch wenn die Rätsel in einer bestimmten Reihenfolge gelöst werden mussten, angefangen mit einer Art Schnitzeljagd auf der Insel, wusste Steve aus bitterer Erfahrung, dass sich die besonders eifrigen Passagiere nicht von den strengen Regeln abhalten ließen und bereits jetzt versuchten, Hinweise zu ergattern. Vor ein paar Jahren war es beinahe zu einem Eklat gekommen, als eine Horde von Passagieren versucht hatte, in die Kombüse einzudringen, weil sie überzeugt waren, dass das dritte Rätsel dorthin führte. Dabei war nicht die Kombüse, sondern die Kunstgalerie gemeint gewesen. Der Chefkoch hatte damit gedroht, das Schiff im nächsten Hafen zu verlassen, und es hatte Steves ganze Überzeugungskraft gebraucht (und ermüdende Diskussionen mit dem Kapitän), um ihn zu beschwichtigen und umzustimmen. Allein bei der Erinnerung daran schauderte Steve.
Doch diesmal wurde im Newsletter immer wieder betont, dass es keinen Sinn mache, das Schiff nach Hinweisen zu durchsuchen,
dass die Rätselfragen erst im Laufe der Reise ausgegeben würden und dass keiner der Gegenstände, die aufgespürt werden mussten, vor dem dafür vorgesehenen Datum lokalisiert werden könne. Er wusste, dass sich gewisse Leute davon nicht abhalten lassen würden. Nicht, wenn es um einen Diamantring im Wert von fünftausend Dollar ging. Die gut betuchten Passagiere der Aphrodite konnten offensichtlich nicht gut betucht genug sein, um sich die Gelegenheit entgehen zu lassen, kostenlos in den Besitz eines wertvollen Gegenstands zu gelangen.
Steve wandte sich wieder den Unterlagen auf seinem Schreibtisch zu. Abgesehen von seiner restlichen Arbeit würde die Aufgabe, für das Wohlergehen der Romanautorin und die Unterhaltung der Gäste zu sorgen, ihn gehörig auf Trab halten. Er liebte seinen Job. Aber manchmal verursachte er ihm auch Magenbeschwerden.
7. Kapitel
POSITION: AUF HOHER SEE.
WETTER: TEILWEISE BEWÖLKT. WIND: OST, STÄRKE 5.
TEMPERATUR: 28°. LUFTDRUCK: 1011.0 MBAR.
Am nächsten Morgen erwachte Britt vor Mia. Leise schlüpfte sie aus dem Bett und zur Tür hinaus auf den Balkon, wo sie sich in einen der Liegesessel setzte und den rosa gefärbten Morgenhimmel betrachtete. Jetzt verstand sie, warum die Malkurse an Bord des Schiffes so gut besucht waren. Die morgendlichen Pastellfarben erweckten in ihr ebenfalls den Wunsch, sie auf die Leinwand zu bannen. Hätte sie doch nur ihren Fotoapparat mit nach draußen genommen! Aus Angst, Mia aufzuwecken, wollte sie nicht wieder hineingehen und ihn holen. Und im Moment hatte sie das Bedürfnis, allein zu sein.
In diesen Tagen sehnte sie sich besonders oft danach, allein zu sein. Laut Meredith war das ein gutes Zeichen. Es bedeute, dass Britt allmählich wieder Zugang zum Quell ihrer Kreativität bekomme, die Voraussetzung, um ihr zweites Buch in Angriff zu nehmen. Britt wusste jedoch, dass sie sich in Stresssituation immer gern in sich selbst zurückzog. Und trotz der luxuriösen Umgebung war sie zurzeit äußerst gestresst.
Das Problem war, dachte sie, während sie mit den Zehen in der warmen tropischen Luft wackelte, dass alles, was sich im Laufe des vergangenen Jahres ereignet hatte, außerhalb ihrer Kontrolle lag. Wenn sie sich hingegen als Scheidungsanwältin mit ihren Mandanten traf und sie in ihren Scheidungsangelegenheiten beriet, wusste sie, was sie wollte und wie sie es erreichte. Sie war es
gewohnt, Regeln aufzustellen. Umso schwerer fiel es ihr, nun diejenige zu sein, die Regeln befolgen musste.
Sie sprach mit niemandem darüber, weil man sie sonst für übergeschnappt hielt. Alle dachten,
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