Das Glück von Brins Fünf

Seite, als Teil der Familie.
    „Was ist aus dem Gulgarvor geworden?“ fragte ich.
    „Schwarzlockes Eskorte und die Stadtwache haben sie in ihre Obhut genommen.“
    „Werden sie … niedergemacht?“
    „Es wäre vielleicht freundlicher“, sagte Mamor grimmig.
    „Nein!“ Ich erschauderte; die Vorstellung eines freundlichen Todes erschreckte mich.
    „Niemand wird es tun“, sagte Mamor, „außer ihrem eigenen Lehnsherrn. Sie werden getrennt werden … manche nach Norden geschickt, andere zur Feuerstadt. Dafür werden Murno Pentroys Leute sorgen.“
    Brin führte uns durch den Stoffmarkt und die Buden der Seildreher und zu einem anderen Ort fürs Essen und Trinken, den wir noch nie aufgesucht hatten.
    „Wohin gehen wir?“ rief ich. Die anderen lachten.
    „Zum Sonnenteppich, wohin wohl sonst?“ sagte der Harfner.
    „Dein Freund Schwarzlocke wird Schwierigkeiten bekommen“, sagte Mamor.
    Auf der Messe war das Gedränge der Leute größer denn je, und ihre Gesichter sahen immer noch glücklich aus, es herrschte eine Stimmung der Freundschaft. Aber Esders starkes, dennoch silbernes Licht verwandelte sie seltsam, in eine Parade von Geistern und Schatten, die sich in einer anderen Welt ergötzten. Ich erhaschte einen Blick aus Tauchers Augen unter seiner Kapuze, als die Menge ihn anrempelte.
    Ich trat zu ihm und nahm seine Hand. „Wie kommst du dir eigentlich unter all diesen Moruianern vor?“
    Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Sehr seltsam …“ Er schlug seine Kapuze zurück und hob absichtlich den Kopf. Einen Augenblick sah ich, während er umherschaute, was er sah: schmächtige, eckige Körper; lange, spitze, schattenhafte Gesichter, bis auf die Knochen abgemagert oder schief und nur in der Jugend etwas festfleischiger. Und die Augen … die sich so um den Kopf ordneten, wie wir es bewunderten, weit auseinander, in tiefen Höhlen, manchmal seitlich schielend, ein Blick, den wir Gastil oder Süd-Nord nannten; aufgesperrte Augen, glänzend und glasig durch Maische oder Schlafmangel, Augen mit dichten natürlichen oder zu Haarspitzen geölten oder anläßlich des Neujahrs weißgefärbten Brauen. Ein flackernder, glitzernder, nächtlicher Wald aus Augen.
    Ich versuchte mir eine Menge von Tauchers Leuten vorzustellen, was mir kaum gelang: jegliche Hautfarbe von schwarz bis weißlicher Blässe; blaue, geradeaus blickende Augen … und welche anderen Farben mochten sie noch haben? Rote Augen? Violette? Orange? Kleine Leute und große und eigentümlich gestaltete Frauen; Wälder gelockten Haars wie ein gekräuseltes Vlies oder wie die Perücken der Granden; alle Formen und Größen der Menschen, die in einem Licht herumliefen, das noch seltsamer war als das Esders, irgendein unmöglicher Widerschein einer kleinen toten Welt, die Mond genannt wurde. Ich mußte darüber lachen und versuchte, Taucher zu erzählen, was ich mir vorgestellt hatte.
    „Also so ganz unrecht hast du nicht“, sagte er lächelnd, „aber wenn ich mich, was die Farben angeht, nicht irre, so gibt es weder rote noch violette noch orange Augen. Außerdem sind Schwarzlockes Augen nach meiner Auffassung orange.“ So erzählte er mir weiter von den Augenfarben der Menschen und zeigte unter unserer Familie und den Passanten auf die, die den Erdfarben am nächsten kamen.
    Wir gelangten zum Rande des Sonnenteppichs, und dort stand ein Podium voller Leute vom Wettflug des Vogel-Clans, die in der Mitte Platz für Taucher ließen. Er setzte seine Kapuze wieder auf und begrüßte Mattroyan und sein Kind, sowie Deel Giroyan, dessen Arm nach der harten Landung in Gwervanin bandagiert war. Wir hielten Ausschau nach Ablo, konnten ihn jedoch nicht erblicken; darum setzten wir uns gemütlich hin und musterten die große Tanzfläche. Der Sonnenteppich ist eines der Wunder von Otolor; er ist kein wirklich gewebter Teppich, sondern eine riesige geknüpfte Matte aus flachen, auf Flechtrahmen hergestellten Bahnen, die sich leicht zusammensetzen lassen. Die Farben sind Rot, Türkis, Gelb und Braun in einem gewellten Muster mit Doppelkreismotiven für die zwei Sonnen.
    Harfen und Flöten erklangen, und die Truppe der Schiffer, die aufgetreten war, flitzte davon. Es setzte das vertraute schwarzweiße Geflatter ein; wir riefen jubelnd Schwarzlocke, und da war er … in Hellorange, unter allen Farben! Taucher beugte sich zu mir herab und flüsterte: „Zu seinen Augen passend“, und ich brach in Lachen aus, bis ich fast daran erstickte, so daß Mamor mir