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Das Glück von Brins Fünf

Das Glück von Brins Fünf

Titel: Das Glück von Brins Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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anderen drei?
    Im Vorbeigehen fragte ich mit unschuldiger Stimme, so laut ich es wagte: „Hoheit, wohin gehen wir?“
    Der Alte antwortete, ohne sich dabei umzudrehen: „In das Sonnengemach, Kind.“
    Mich befiel eine schreckliche Beklemmung, und mir schwante Gordos Gemütsverfassung. Sicherlich war es jetzt an der Zeit, wegzulaufen, an die Schlafzellen zu hämmern, um festzustellen, ob Taucher darin war, tapfer hinauf oder hinunter zu klettern, den Omors oder dem Alten zu entwischen … aber es war nutzlos, und ich wußte es. Es gab nichts, wohin ich hätte rennen können; die Omors würden mich sofort schnappen, oder ich würde mich zu Tode stürzen. Ich konnte nur folgen, wie ich gebeten worden war.
    Das Sonnengemach war so geräumig wie dasjenige, das ich bereits gesehen hatte, aber gemütlicher, weniger prunkvoll durch heruntergelassene Rohrjalousien und lohfarbene Matten und Zwergrotholzbäume. Es war irgendwie in drei Räume verwandelt worden: im ersten kamen wir an drei weiblichen Wesen vorbei, alle in dünnen bauschigen Gewändern, obwohl sie mittleren Alters waren, also über die Zeit hinaus, Kinder zu tragen. Sie kardätschten oder sponnen; ich hatte noch nie Granden arbeiten sehen, aber sie schienen sich darauf zu verstehen.
    „Zeit für Honigwasser“, rief eine mit schriller Stimme, als wir vorbeigingen.
    „Er ist beschäftigt“, sagte eine andere.
    „Mit Spielen … Spielen … Spielen …“, sagte die dritte mit einer irren Vogelstimme. Dann lachten alle drei laut, und der Alte schwang seinen Stab gegen sie.
    Ich musterte das Sonnengemach genau, in der Hoffnung auf einen Fluchtweg, aber es bot noch weniger Hoffnung als der Korridor. Zwei oder drei Diener versorgten dort die Blumen und bereiteten Erfrischungen auf einem großen Möbelstück auf Rädern mit Aufsätzen und Schubladen und kleinen Sonnenschirmen aus Papier vor, um die Tabletts mit Essen und Obst zu schützen. Eine andere Omor, diesmal in Mattgrau, und noch eine in grau-grünen Streifen lungerten im zweiten Raum des Sonnengemachs herum. Die Jalousien waren hochgezogen worden, und auf einem schönen Teppich übte ein Zwerg einen Tanz vor den Omors. Ein junger Musikant, der zwischen den Ranken halb versteckt war, spielte dafür einen Dudelsack und wiederholte die Passagen, während der Zwerg seine Drehungen und Purzelbäume probte. Mir ging es plötzlich durch Mark und Bein, als wir zum nächsten Raum kamen, dem ruhigsten von allen.
    Die Sessel waren geflochten, und ein im Sommer unentfachter und mit trockenen Blättern gefüllter Dreifuß aus Holz und Metall stand dort. Ein hochfüßiger Korb quoll von Runenbändern und Pergamentrollen über; in einer Ecke stand ein großer Schreibtisch mit Papieren auf der Platte und halbgeknüpften Runenbändern an den Ecken. Der Alte zeigte heiter und munter auf einen Haufen Kissen und sank selbst in einen der Korbsessel. In dem anderen saß eine männliche Gestalt mittleren Alters in einem schwarzbraun gemusterten Gewand und hübschen goldenen Schnabelschuhen. Die Sonne beleuchtete durch die Jalousien sein Haar: rötlichbraun, stark grau gesträhnt. Das Gesicht dagegen war gelehrtenhaft konzentriert, die Augen waren hell und nachdenklich unter den buschigen Brauen.
    „Hier ist unser junger Gast“, sagte der Alte, „dem der Schlaf nichts schaden könnte.“
    „Dann haben wir einander etwas zu sagen“, sagte Tiath Avran Pentroy.
    Ich hatte mich schon auf die Kissen gesetzt, denn ich konnte vielleicht aus Furcht oder Überraschung oder beidem nicht länger stehenbleiben. Wo hätte ich aber sonst sein können? Und wie würde der Große Älteste behaglich inmitten jener Familie, die „ein Geflecht der alten Fäden“ genannt wurde, aussehen? Aber ich konnte nur diesen reichgekleideten moruianischen Granden mit scharfgeschnittenem Gesicht anstarren und im Geist das schwarze Schiff in einer Winternacht sehen. Ich konnte, statt des Klirrens von Glasgeschirr, nur die Giftbecher in der Kabine des alten braunen Vogel-Boots hören. Die ertrunkenen Wirbler oder die, denen das Leben an den Bäumen von Wellin ausgeblasen wurde; den Gulgarvor, der kämpfte und starb wie Vernichtungsmaschinen; eine Welt der Kälte und des Todes und der Finsternis, beherrscht von dieser Hoheit im Gewand eines Gelehrten und mit Schnabelschuhen. Und jetzt hatte er seinen Willen durchgesetzt – den Teufel vom Hingstull in seinen Händen.
    Der Große Älteste musterte mich mit einer Spur Neugier. „Starr mich nicht so an,

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