Das Glück von Brins Fünf
blauen Kahn verloren, und die Bergfünf mit dem Teufel werden ausgerottet werden. Drei Kometen … das ist ein Drei-Kometen-Jahr …“
Ich preßte mich an die Wand, obwohl sie wie verrückt wackelte, und rief mit aller Kraft: „GORDO BEETHAN!“
Eine völlige Stille trat ein, und ich rief nochmals: „Gordo Beethan.“
Die Stimme ertönte wieder, freilich so leise, daß ich sie kaum verstehen konnte. „Wer ruft mich?“
„Dorn Brinroyan. Ich bin in der nächsten Schlafzelle.“
„Du bist tot. Du bist ein Geist, der sich über mich lustig macht, denn ich werde schon so lange hier festgehalten, und ich habe euch alle verraten.“
„Ich lebe, Gordo, wir leben alle. Der blaue Kahn ist in Sicherheit.“
„Dorn, Dorn Brinroyan … bist du es?“
„Wirklich, Gordo. Fasse Mut.“
„Dorn, was ist das für ein Ort, dieser fürchterlich schwankende Korbbaum?“
„Das ist eine sogenannte Schlafzelle. Die Granden benutzen sie, wenn sie nicht schlafen können.“
„Aber wo? An welchem Ort?“
„Natürlich in Rintoul.“
„RINTOUL!“ Es entstand eine Pause.
„Gordo?“
„Ich wurde vor Neujahr gefangengenommen, als ich vom Osten nach Otolor zurückkehrte, nachdem ich die Botschaft der Ulgan abgeliefert hatte.“
„Bist du … mißhandelt worden?“
„Anfangs ein bißchen. Dann wurde ich hier zurückgelassen. Es ist schon so lange her, Dorn. Essen wird durch die Tür geschoben, aber ich kann nicht viel essen. Ich habe meine Mächte verloren, vielleicht für immer. Ich schlafe und träume und erinnere mich an alles, was ich den Fragern erzählt habe.“
„Bitte, Gordo, dich trifft keine Schuld.“
„Die Alte ist freundlich, Dorn. Sie bittet nur darum, mich zurückzuschicken. Ich hasse die Decke, ich bin in eine Decke gewickelt worden, als sie mich hierher gebracht haben, damit ich nicht sähe. Aber keine Schläge mehr …“
In der Ferne läuteten Glocken lieblich und silbern.
„Gordo?“
„Psst! Sie kommen!“
Ich lag still auf meinem Brett, obwohl mein Herz dermaßen hämmerte, daß ich das Gefühl hatte, es bringe die Zelle zum Wackeln. Ich betete zum Nordwind; ich betete zu Eenath; ich rief Schiefauge an, mir Kraft zu verleihen. Ich überlegte mir, daß sie mir nicht wehtun oder mich so in den Wahnsinn treiben konnten wie den armen Gordo. Ich wurde von allen beschützt und hatte die Macht durch meine Pflicht erlangt. Ich mußte Taucher finden oder wenigstens seinen Aufenthaltsort. Das mußte ich herausbekommen und zu meiner Familie zurückkehren.
Dann erschien ein gelber und grauer Schatten vor meiner verzerrenden Tür, der mir fast den Mut nahm. Die runde Tür öffnete sich, und ein Alter guckte lächelnd herein.
„Hast du gut geschlafen, Kind?“ Mein Besucher war ein Grande, das erkannte ich sofort, und wahrscheinlich ein männlicher. Ich richtete mich etwas auf.
„Komm mit, komm mit“, sagte der Alte. „Wir wollen einen Spaziergang machen.“ Es war keine Spur von der Decke vorhanden, die Gordo so sehr haßte; ich schlitterte über den gewellten Boden und fiel halb durch die Tür auf den Korridor.
Sogar ohne Decke war es beängstigend genug … es konnte tatsächlich eine andere „Freundlichkeit“ sein, Gordo nicht sehen zu lassen, wo er hockte. Die Wände des Korridors waren aus Glas und weitmaschigem Geflecht; wir schienen uns auf einem schmalen immer höher führenden Pflasterstreifen zu befinden, um dessen beide Seiten die Stadt blau und weiß und golden hinabflutete. Der Alte trug ein elegantes Gewand aus gelber Seide mit grauer Verbrämung und einen mit milchig rosa Edelsteinen besetzten Holzstab. Dennoch hatte diese Kleidung etwas Abgetragenes und Verstaubtes und Bekleckertes an sich; die langen Hände, die den Stab umklammerten, waren behaart und zittrig; nur verschleierte, in ihren Höhlen funkelnde Augen verrieten einen noch wachsamen Geist.
„Komm mit, Kleiner!“ Ich folgte der schwankenden Gestalt durch den hellen Korridor; wir kamen an zwei Omors in geschmackvollem Grau vorbei, die sich in Alkoven den Schlafzellen gegenüber verbargen. Ich zählte fünf Schlafzellen; sie sahen von außen genauso merkwürdig aus wie von innen, ovale goldene Körbe mit den Glastüren, die Glotzaugen glichen. Sie waren unregelmäßig auf den Dachbalken des Hochhauses befestigt, so daß jeder sich frei bewegen konnte; zwischen ihnen war das Tageslicht, die leere Luft zu sehen, aber der gewundene Korridor erlaubte jedem einen festen Eingang. Lag Taucher vielleicht in einem der
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