Das glückliche Ende der Welt.
Lohnlisten zu und saß noch eine Weile, ließ die Holzhauer und die übrigen Stinglreuter im Geiste vorbeiziehen, und es wurde ihm klar, daß er der Wilddieberei eher auf den Grund kam, wenn er sich mehr mit den Leuten beschäftigte, als die Wilddiebe im Walde finden zu wollen.
Bei der nächsten Lohnauszahlung ließ er den Weber bis zuletzt warten und stellte ihn zur Rede:
»Weber, Sie sind in der letzten Zeit ziemlich oft von der Arbeit weggeblieben. Auch am vergangenen Montag.
»Arbeiten ja im Akkord, und das mache ich mir mit den Kameraden schon aus«, antwortete der Holzhauer störrisch.
»Sie haben auch in den Taglohnwochen viele blaue Montage gemacht.«
»Bin auch oft krank gewesen, und hab ein kleines Sacherl mit zwei Kühen. Da kann ich mein Weib net alleweil bei der Arbeit allein lassen.«
Nachdenklich rieb sich Greiner den schwarzen Vollbart, sah den Holzhauer prüfend an und blätterte dann in den Lohnlisten.
»Im Februar, im März, im April — nichts als blaue Montage. Da gibt es doch in der Landwirtschaft nichts zu tun?«
Der »Weber zuckte nur mit den Schultern. Sein braunes Gesicht aber war gespannt, und seine Augen flackerten. Der Förster biß sich auf die Lippen und lenkte ein. Es war vielleicht falsch, den Mann mißtrauisch zu machen. Er schob ihm die Lohntüte hin:
»Na ja, ist gut. Geht ja Ihnen vom Verdienst ab und nicht mir. Aber übertreiben Sie es nur nicht!«
Der Weber atmete hörbar auf und wandte sich zum Gehen. An der Türe fragte er zurück: »Hat mich einer von den Kameraden bei Ihnen verkauft?«
Greiner winkte lächelnd ab: »Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, Weber, das ist mir schon selber aufgefallen.«
Durch das Fenster sah er dem Weber nach, der sich nicht beeilte, um die vorausgegangenen Holzhauer einzuholen, sondern sich, ehe er auf dem Weg nach Stinglreut im Wald verschwand, noch einmal umwandte und zum Forsthaus zurückblickte.
Der Förster Greiner zündete sich die Pfeife an und räumte seinen Schreibtisch auf. Es war kein gutes Gefühl, das er nach dieser Aussprache mit dem Holzhauer hatte. Wer weiß, wann und wo sie sich wieder gegenüberstehen würden! Das war nicht der Typ des hinterhältigen Schlingenlegers, dieser Mann würde auch offen gegen ihn auftreten, mit dem Gewehr in der Hand, wenn er ihm in die Quere kommen sollte! Noch aber wußte er nichts Bestimmtes, aber wer so oft sein Geld ins Wirtshaus trug, brauchte eine Nebeneinnahme.
Es klopfte leise an die Türe, und dann schob sich das kleine, braungelockte Köpfchen seines Töchterchens durch den Türspalt.
»Vati, kommst du nun zum Essen?«
Das wischte die trüben Gedanken des Försters weg, und, die Kanzlei absperrend, ging er hinüber in die Wohnküche. In den letzten Tagen hatte er sich so sehr verändert, daß dies seiner jungen Frau neuen Mut für das Leben in der weltabgelegenen Försterei gegeben hatte. Die Verbissenheit, mit der er Tage und Nächte im Wald herumgestreift war, die Unruhe und die Gereiztheit waren von ihm abgefallen. Nun nahm er sich wieder Zeit für seine Familie und blieb an manchen Abenden zu Hause, und nun hörte man im Forsthaus auf der Guglwies auch öfter wieder das Klavier, wenn sich draußen der Wald einnachtete. Wenn er aber dann oft nach gedankenvollem Schweigen und Zuhören sagte, daß er den Burschen schon noch auf die Schliche kommen würde, dann lief ein Schatten über das Gesicht der jungen Frau, und sie wurde still und verschlossen.
Immer öfter stieg sie nun an schönen Nachmittagen mit dem kleinen Annerl hinauf zur Gschwend, um sich mit den jungen Holzhauerfrauen zu unterhalten und sich abzulenken von den Sorgen, die in ihr wie eine unheilbare Krankheit bohrten.
Wenn die Regenschauer über die Berge zogen und der tropfende Wald trist und unfreundlich wurde, dann haßte sie die Einsamkeit. Dumpf und verloren klang dann das Plappern und Lachen des kleinen Annerl in den Stuben des Forsthauses, und sie selber erschrak vor dem leeren Laut der eigenen Worte.
Droben auf der Gschwend, unter den Dächern der Holzhauerhäuser, konnten Regentage das Glück nicht stören. Wenn der Bergwind die Tropfen gegen die Schindeldächer trommelte, dann saßen die Burgl und die Lina strickend beisammen, trafen sich an den Abenden die beiden Paare in einer Stube, und wenn sie nichts mehr zu erzählen wußten, sangen sie oder spielte der Kaspar auf der Mundharmonika. Er war immer gut aufgelegt und hilfsbereit, bastelte und schnitzelte mit erstaunlicher
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