Das glückliche Ende der Welt.
drüben hatte. Nun, wenn die Grenzer selber nicht dahinterkamen, er fühlte sich nicht verpflichtet, ihnen das zu melden. Schon wollte er die Hütte wieder verlassen, als er, mehr wegen der vollständigen Untersuchung, noch nach einem Stück Sackrupfen griff, das in der Ecke neben dem Steinherd lag. Im schwachen Tageslicht, das durch das Türloch drang, bemerkte er Rehhaare und alte Blutflecken an dem Sack. Rasch legte er ihn zurück und schloff wieder ins Freie.
»Nix zu finden«, grinste der Waldhirte, »nix als Flöhe, und die können Sie alle mitnehmen.« Dabei blitzten seine dunklen Augen auf wie zwei Tümpel, in denen sich die Sonne spiegelt.
»Na ja, ist ja alles in Ordnung. Und wenn du einmal was Besonderes bemerken solltest —«
»Dann sag ich es dem Herrn Förster ganz bestimmt!« lachte der Hirte höhnisch.
In Gedanken verloren ging Greiner den Weg zurück. Nun wußte er wenigstens, daß er dem Waldhirten nicht trauen konnte. Die erste Spur und der erste Mensch, mit dem er es vielleicht einmal zu tun bekam, waren ihm nun bekannt, und wenn auch der erste Zusammenstoß mit einem Schlingenleger für ihn eine Niederlage gewesen war: jetzt sollte der Kampf mit dem Gesindel erst losgehen! Und keine Minute würde er rasten! Nun mußte er noch einmal zurück zu den Steinriegeln, um das arme Reh aufzubrechen und heimzutragen. Starr vor Schreck stand er an der Stelle, an der noch vor einer Stunde Schlinge und Reh waren. Nichts deutete mehr auf die Untat hin, kein totes Reh, kein Schlingendraht. Er machte sich Vorwürfe und war nahe daran, vor Zorn das Gewehr um einen Baum zu schlagen. Warum hatte er das Reh nicht gleich mitgenommen? Nun hatte man ihn erst richtig hereingelegt, und der Wilddieb konnte sich eins lachen!
Er setzte sich auf einen Stein und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Diese Burschen waren nur mit den gleichen Mitteln zu bekämpfen, die sie selber anwendeten, mit List und Tücke. Um ihnen auf die Schliche zu kommen, mußte er andere Wege gehen. Das war zu überlegen.
Der schöne Sonntagvormittag, die feierliche Ruhe über den Bergen und das besänftigende Rauschen in den Kronen gaben ihm seine Ruhe wieder. So konnte es nicht weitergehen. Tag und Nacht hinter seinen Pflichten herzulaufen, würde ihn nur seine Gesundheit kosten. Trug er damit nicht selber alles dazu bei, daß der Unfrieden im Forsthaus nicht ausgehen wollte? Konnte er es seiner Frau verdenken, daß sie neben einem Mann verzweifelte, der an sonst nichts mehr dachte als an seinen Zorn gegen die Wilddiebe, und der zu keiner Mahlzeit mehr daheim war, kaum mehr Zeit zum Schlafen fand, in seinem Verdruß auch zur eigenen Familie barsch und unfreundlich wurde? Er sprang auf und hatte es nun eilig, zurück zur Guglwies zu kommen.
Die Försterin wunderte sich, daß ihr Mann an diesem Sonntag einmal pünktlich zum Mittagessen daheim war, das Gewehr in die Ecke stieß, als wollte er es nie mehr anrühren, und aufgeräumt plauderte und mit dem Töchterchen scherzte. Hatte er seit Wochen schon gar nicht mehr hingehört, wenn sie etwas sagte, so interessierte ihn heute alles, und er war sichtlich bemüht, Dienst und Pflicht zu vergessen und seine Frau zu unterhalten. Schließlich schlug er ihr nach dem Essen vor, den Nachmittag zu einem ersten Besuch auf der Gschwend zu benützen. Sogar die grüne Uniform legte er ab, was er seit langem nicht mehr getan hatte, und half seiner Frau beim Spülen des Geschirres. Sie nahm sich zusammen, um die trüben Tage der Vergangenheit und den ewigen Streit, der sie entfremdet hatte, zu vergessen. In seiner Zivilkleidung erinnerte er sie wieder an die Zeit, da sie hier aufzogen und der junge Förster Greiner ein freundlicher, zuvorkommender und fröhlicher Mann war.
Es war eine schöne Wanderung im späten Maien, und das kleine Annerl ließ sich, glücklich plaudernd und viele Fragen stellend, von den Eltern bergaufwärts führen und vom Vater auf den Schultern tragen, wenn die Beinchen müde wurden.
Auf der Gschwend war man über den Besuch überrascht, noch mehr darüber, wie gesprächig und heiter der gestrenge Förster sein konnte, wie leutselig er sich mit seinen Holzhauern unterhielt und davon redete, daß man nun ja als Nachbarn sich öfter einmal zusammensetzen müsse.
Die Försterin lebte im Gespräch mit der Karolina und der Burgl auf, und der Kaspar spielte, zum größten Vergnügen des kleinen Annerl, auf der Mundharmonika. »Sind brave Leute, die neuen Gschwender«, versicherte die
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