Das Glücksbüro
schneidend geklungen, dennoch rieb sich Wehmeyer zufrieden die Hände und rief erfreut: »Endlich!«
Er nahm den Fahrstuhl hinauf in den obersten Stock und suchte in Gedanken nach den richtigen Worten, um sich für die Beförderung zum neuen Amtsleiter zu bedanken. Es sollte demütig und dankbar klingen, aber auch selbstbewusst und voller Tatendrang. Ein Traum würde endlich wahr werden, und Wehmeyer malte sich auf dem Weg nach oben aus, wie er einen neuen Geist in das Amt tragen würde, den Muff der vergangenen Jahre herauskehren und das Amt in ein neues modernes Zeitalter führen würde, in dem Denken durchaus erlaubt war.
XII.13 sollte nicht mehr als Tor nach Mordor empfunden werden, sondern es sollte jedermann offenstehen, seine Ideen einzubringen. Das würde auch XII.12 , Adele Lüth, betreffen, deren Gulag-Charme zukünftig irgendwo im Archiv zur Geltung kommen durfte. Wehmeyer dachte über die Beamtinnen nach, die an Lüths Stelle im Sekretariat sitzen sollten: freundlich mussten sie sein, jung, fähig, schöne Telefonstimmen sollten sie haben. Auf Anhieb fiel ihm keine ein, aber er hatte ja noch bis Ende des Jahres Zeit.
Er klopfte an Direktor Sommerfeldts Tür und betrat dessen Büro.
Zu Wehmeyers Überraschung war Sommerfeldt nicht alleine, denn neben dessen Schreibtisch, der Diktatorenausmaße hatte, stand Referatsleiter Markus Wittmann, ein junger Streber, den Wehmeyer wie die Pest hasste, denn Wittmann gehörte zu der Sorte Beamte, die außer Powerpoint-Präsentationen und dem unerträglichen Abspulen wichtig klingender Wörter wie Synergien oder proaktiv absolut nichts beherrschte. Zog man den wirbellosen Gang im zwölften Stock einmal großzügig ab.
Was hatte der hier zu suchen?
Wehmeyer beschlich ein ungutes Gefühl, aber er beschloss, positiv zu bleiben, denn sollte er heute befördert werden, würde Wittmann dabei sein und an seinem Gesicht ablesen können, welche Zukunft ihm unter Wehmeyer bevorstand.
Sommerfeldt, der einen behördlichen Vorgang gelesen und paraphiert hatte, blickte nun auf und bot Wehmeyer wortlos den Platz vor seinem Schreibtisch an. Der setzte sich und kam sich winzig vor, was auch daran lag, dass der Stuhl vor Sommerfeldts Schreibtisch kleiner war als üblich. Noch so etwas, was er sofort ändern würde.
»Herr Wehmeyer, Sie wissen, warum ich Sie gerufen habe?«
Wehmeyer straffte sich: »Ich kann es mir denken!«
»Gut, dann lassen wir das Geplänkel und kommen gleich zur Sache: Sie wissen, dass ich bald in Ruhestand gehe.«
Wehmeyer nickte und kondolierte gleichzeitig: »Was mehr als bedauerlich ist!«
»Und ich möchte ein geordnetes Haus hinterlassen …«
»Selbstverständlich.«
Sommerfeldt machte eine Pause, sodass Wehmeyer kurz zu Wittmann schielen konnte, der völlig unbewegt neben dem Schreibtisch stand und ihn ausdruckslos anstarrte.
»Wissen Sie, wer mich heute Vormittag angerufen hat?«, fragte Sommerfeldt und gab sich nicht die geringste Mühe, den Ärger in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Nein«, gab Wehmeyer unsicher zurück.
»Der Parlamentarische Staatssekretär der Bundesregierung.«
Die Worte hallten lange in Wehmeyers Kopf nach, als wäre Moses vom Berg Sinai herabgestiegen und hätte gesagt, dass Gott mit ihm gesprochen habe. All seine Ideen von einem Leben nach Sommerfeldt zerfielen zu Staub und wurden aus dessen Büro geweht.
Da saß er nun vor einem Schreibtisch, der größer und noch größer zu werden schien, genau wie Sommerfeldt dahinter, der ihn mit Habichtsaugen ansah.
»Es hageln Beschwerden aller möglichen Behörden auf ihn ein, dass die Kosten in den letzten drei Monaten exorbitant in die Höhe geschossen sind.«
Wehmeyer schluckte: »Tatsächlich?«
»Ich habe den Kollegen Wittmann hier gebeten, den Vorwürfen nachzugehen. Und Herr Wittmann hat sehr schnell herausgefunden, wo das Problem liegt: nämlich in Ihrer Abteilung.«
»Meiner?«
Sommerfeldt griff nach einem ganzen Stapel Papier auf seinem Schreibtisch und reichte ihn Wehmeyer.
»Hier eine vorläufige Kostenaufstellung. Ihr Mitarbeiter Albert Glück entwickelt sich, was die Ausgaben betrifft, zu einem schwarzen Loch!«
Wehmeyer durchforstete hektisch die Zahlenkolonnen, nahm ohne große Mühe die enormen negativen Beträge wahr, die dort aufsummiert waren. Die Veränderungen zu den Vormonaten ergaben in manchen Dezernaten mehrere tausend Prozent – Tendenz weiter steigend.
»Oh Gott!«, stieß Wehmeyer entsetzt aus.
»Wegen Ihres Mitarbeiters habe ich
Weitere Kostenlose Bücher