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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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einen Termin in Berlin! Was werde ich dort sagen, Herr Wehmeyer?«
    »Ich kümmere mich darum, Herr Direktor!«
    Sommerfeldt schüttelte den Kopf: »Sie kümmern sich nicht nur darum, Sie werden dafür sorgen, dass das aufhört! Haben wir uns da verstanden?«
    Wehmeyer nickte.
    »Schön«, antwortete Sommerfeldt zufrieden und fügte sehr viel sanfter hinzu: »Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Wie Sie wissen, halte ich große Stücke auf Sie …«
    Wehmeyer kannte Sommerfeldt gut genug, um zu wissen, dass dieses kleine Kompliment nichts anderes als eine Drohung war: Er musste Albert Glück in die Schranken weisen oder er konnte seine Beförderung zum Direktor dieses Amtes vergessen. Das war die Botschaft – und sie war völlig eindeutig.
    Wehmeyer stand auf und verabschiedete sich.

47.
    Im Nachhinein verfluchte er sich dafür, dass er in den letzten Wochen nicht ein einziges Mal Albert Glücks Trakt im siebten Stock aufgesucht hatte, aber seit Schulzes Kündigung war der Bursche nur noch selten da und konnte daher wenig falsch machen. Die meisten seiner Aufgaben hatte Elisabeth Seel übernommen. Warum hätte er also vorbeischauen sollen?
    Jetzt traf ihn fast der Schlag, als er über die Treppen in den siebten Stock kam, denn er erblickte eine Menschenschlange, die sich aus dem Flur ins offene Treppenhaus wand und erst im vierten Stock ihr Ende fand. Aufgereiht wie an einer Perlenschnur, sehr ruhig, sehr diszipliniert, sodass sich niemand über übermäßige Lärmentwicklung beschweren konnte.
    Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen: »Oh Gott … das kann doch nicht wahr sein!«
    Dann eilte er die letzten Stufen herab, im hektischen Stechschritt an den Wartenden vorbei, bis er Alberts Tür erreicht hatte. Ohne eine Erklärung griff er nach der Türklinke und spürte schon im nächsten Moment einen eisernen Griff um sein Handgelenk. Er sah auf und sah einen jungen Mann, mit dem Körper eines Rugbyspielers und dem Gesicht eines Preisboxers.
    »Wo willste denn hin, Freundchen?«
    Wehmeyer schluckte: Der Mann war über zwei Meter groß.
    »Ich muss mit Herrn Glück sprechen.«
    Der Mann nickte: »Das müssen wir alle.«
    »Sie verstehen nicht!«, begann Wehmeyer hilflos.
    Aber der Bulle verstand sehr wohl und antwortete knapp, aber unmissverständlich: »Hinten anstellen. Aber dalli!«
    Wehmeyer trat den Rückzug an.
    Ein paar Minuten später klingelte bei Albert das Telefon, als er gerade ein Grüppchen Hilfesuchender in Rentenfragen beraten hatte und jetzt allerlei Anträge abstempelte.
    Er hob ab und hörte nur Geschrei am anderen Ende der Leitung.
    »Herr Wehmeyer? Sind Sie das?«
    Als Antwort gab es nur noch mehr wütendes Geschrei.
    Albert blieb nichts anderes übrig, als den Hörer ein Stückchen von seinem Ohr wegzuhalten, bis sich die Stimme wieder beruhigt hatte.
    Dann versuchte er es erneut: »Warum sind Sie denn nicht reingekommen?«
    Ein Tobsuchtsanfall folgte.
    Albert legte den Hörer auf den Schreibtisch und stempelte die Anträge zu Ende. Dann verabschiedete er die Wartenden, die sich scheu über das Telefonat amüsierten, hob den Hörer wieder ans Ohr, verabredete sich schnell zum Mittagessen und legte wieder auf.
    Albert spürte, wie viel Kraft es Wehmeyer kostete, nicht mit dem, was er zu sagen hatte, vor allen anderen in der Essensschlange herauszuplatzen. Stattdessen tänzelte er nervös in seinem Rücken wie der Deckel auf einem Topf kochenden Wassers, was Albert zunehmend unruhig machte, denn eigentlich hatte er sich auf das Mittagessen gefreut. Es gab honigglasierten Lachs mit Gurkensalat und Erdnusspesto oder Pasta mit mediterraner Gemüsesauce oder Rind Gum Pao mit Reis. Leichte, überaus schmackhafte Küche für einen warmen Sommertag.
    Seit Wochen war die Qualität der Speisen kontinuierlich gestiegen, seit einigen Tagen war sie sogar überraschend und inspirierend, sodass der große Hungerlauf mit immer härteren Bandagen ausgetragen wurde. Walter Wellinghoff, Abt. VII.773 , einst unumstrittener König des großen Hungerlaufs, trug Niederlage um Niederlage davon, reagierte gereizt und immer wütender, doch die Zeiten der leichten Siege war vorbei, das Essen lockte bereits freitags, wenn die Vorschau auf die nächste Woche kam. Und Wellinghoff musste deprimiert zur Kenntnis nehmen, dass, wenn er diesen Lauf überhaupt noch einmal gewinnen wollte, er erst abnehmen musste, denn andere waren einfach schneller als er. Zu schnell, als dass er seinen mächtigen Körper in

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