Das Glücksprojekt
Chlorella-Kapseln an, die meinem Körper helfen sollen, sein Schwermetall loszuwerden. Vor meinem inneren Auge ploppen mir die Amalgam-Füllungen aus den Zähnen. Petra finde ich trotzdem nett. »Das Erlebnis ist das Ergebnis«, höre ich gerade unsere Streberin mit der Buddhakette sagen. Sigi, die fränkische Krankenschwester, hält dagegen: »Jeder ist seines Glückes Schmied, aber nicht jeder ist Schmied.« Erwartungsvoll sieht mich Marion, eine Bankkauffrau aus Wiesbaden, an. Dank Anne kenne ich einen Satz, der immer funktioniert: »Es gibt ja ganz viele verschiedene Ebenen.«
Weiter geht’s zur nächsten Übung. Diesmal sind wir Lachsäcke. Ich ziehe Petra eine imaginäre Schnur aus dem Nabel, und die Lachsack-Petra fängt an zu giggeln und zu kichern und steigert sich in ein beachtliches Bauch-halte-Lachen. Dann bin ich dran. Petra zieht an der unsichtbaren Schnur an meinem Nabel und ich komme mir schon wieder blöd vor. Einfach so loslachen ohne Grund – »Hähä«, mache ich und denke mir: Wie ein Depp. Und wieder Atemübung.
Unsere Zwerchfelle brauchen eine Pause, im Stuhlkreis erzählt Christoph schlaue Dinge über Humor und den Umgang mit Ablehnung – die kommt schon mal auf, wenn er als Trainer für Stressmanagement von einer Versicherung engagiert wird und die Führungsriege in Anzug auffordert, sich gegenseitig Lachsack-Schnüre aus den Bauchnabeln zu ziehen. Wenn da einer aufsteht und sagt, das sei Blödsinn – was dann? »Dann sage ich Danke! Das ist super, dass Sie hier aufstehen und etwas sagen, da müssen wir drüber sprechen, gleich im Anschluss!«
Er nehme Angriffe nicht persönlich, sagt er – und das ist so wichtig, das schreibt er uns gleich auf das Flipchart. Wir sollen lernen, Ereignisse nicht persönlich zu nehmen, dann stoßen uns Dinge nicht zu, sie geschehen einfach. Wir schreiben alle mit. Ob beim nächsten Seminar einer meiner Kollegen sagt: »Emmelmann sagt ja, wir sollen Ereignisse nicht …«?
Marlene rutscht auf ihrem Stuhl herum, das mit der Ablehnung macht ihr zu schaffen. »Und wenn der dann nicht darüber reden will? Und wenn der sich dann einfach umdreht und geht?« – Ach Marlene, denke ich und will sie schon wieder in den Arm nehmen. Da steht Sigi auf: »Aber das ist doch ein G’schmarre«, sagt sie und Christoph kontert: »Danke! Das ist super, dass du hier aufstehst und etwas sagst …«, und wir lachen, diesmal ganz ohne Übung. Auch Christoph. Das ist das Nette an diesem Mann, er lacht auch über sich selbst und sein Lachen ist so ansteckend wie Masern im Kindergarten. »Ich will, dass die Menschen glücklicher werden«, sagt er und ich glaube ihm sofort. Der Mann hat eine Mission. Wahrscheinlich, weil er am eigenen Leib erfahren hat, wie sehr Lachen hilft. Zehn Jahre lang war er selbstständig im Baumanagement tätig. Zehn Jahre Stress und anschließende Herzoperation. Danach kam ihm das Yogalachen wie eine Offenbarung vor, und wirklich, er strahlt eine Ausgeglichenheit aus, auf die man neidisch sein kann.
Als ich nach Hause komme, sieht L. mich erwartungsvoll an. »Und? Wie war’s?« Ich stelle mich breitbeinig vor ihn hin und pumpe mit den Armen: »Sehr gut, sehr gut«, dann reiße ich die Arme hoch: »jaaaa!« Er zuckt zurück. So wie L. jetzt aussieht, muss ich heute Morgen auch ausgesehen haben.
Für den nächsten Tag haben wir, auch das ist wie in der Schule, eine Hausaufgabe bekommen. Wir sollen morgens eine Lachdusche nehmen. »Nehmt den Brausekopf in die Hand und lacht, während das warme Wasser über euren Körper läuft. Lasst die Brause zu eurem Mikrofon werden, in das ihr hineinsingt. Kichert, tanzt mit der Brause und lacht frei mit eurer ganzen Lebensfreude.«
Der hat gut reden, der ist bestimmt kein Morgenmuffel. Ich hingegen schon. Und ich muss heute, am Sonntag, wegen meines Lachkurses früher aufstehen als sonst. Missmutig stehe ich unter der Dusche, die nassen Haare hängen mir ins Gesicht. Saukomisch, denke ich und maule vor mich hin. Ob es den anderen auch so geht? Ich stelle mir meinen Lachkollegen Klaus vor, den Polizisten, wie er nackig unter der Brause tanzt. Das zaubert mir dann doch ein Grinsen ins Gesicht. Ob er in den Duschkopf singt? Das Bild entlockt mir tatsächlich ein Kichern. Auf meinem Weg zum »Raum für Begegnungen« merke ich, dass ich gut gelaunt bin, nahezu fröhlich.
Als alle da sind, setzen wir uns im Stuhlkreis hin – ich bin ja ein echter Stuhlkreis-Fan geworden – und geben Feedback von gestern.
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