Das Glücksrezept - O'Neal, B: Glücksrezept - The Lost Recipe for Happiness
Schneebesen und Holzlöffel, Spatel und Bratenwender, Messbecher aus Metall und aus Glas. Die Messer und Thermometer wurden in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt, und mehr als einmal mussten sie warten, bis die Utensilien am Ende einer Unterrichtsstunde gezählt wurden.
In dieser blitzsauberen Welt erlernte sie die Alchemie der hellen Saucen, lernte, wie man Mehl gerade so weit in Butter auflöste – »Ganz langsam, Mädels«, rief Mrs Mascarenas immer, »sonst brennt sie an!« -, bis eine Mehlschwitze entstand. Dann ein Schuss Milch für eine Sauce dazu, und noch ein bisschen mehr für eine Jus, die klassische Bratensauce. Elena experimentierte herum und stellte entzückt fest, wie viele verschiedene Aromen sich damit herstellen ließen, wie ein Umschlag gefüllt mit Käse, Zwiebeln oder Rindfleisch. Magie! Sie fand heraus, dass ein herzhafteres Gericht entstand, wenn sie die Butter durch Speck ersetzte, dass zu viel Mehl die Aromen zerstörte und dem Gericht einen staubigeren Geschmack gab und dass sich aus denselben Zutaten auch eine sämige Brühe zubereiten ließ.
Zwanzig Jahre später erinnerte sie die Küche in ihrem Apartment an diese Hauswirtschaftsküche in der Schule – dieselbe Größe, dennoch perfekt ausgestattet, dieselbe ordentliche, saubere Eleganz. In diesen Räumen hatte niemals die Armut regiert, so viel stand fest.
Alvin lag im Garten in der Sonne, reckte seine riesige schwarze Nase in die Luft, roch vielleicht den Wetterumschwung, der von Norden heranzog, die Vorboten des Herbstes, die über den Pass getragen wurden.
Leise summend gab Elena Olivenöl in einen schweren Topf und fügte, als es sich erwärmte, sieben Knoblauchzehen hinzu, die sie längs in drei bis vier Scheiben geschnitten hatte. Als der Knoblauch leicht glasig war, ging ihr Aroma auf das Olivenöl über. Sie legte ein dickes Stück Schweineschulter hinein, ließ es auf beiden Seiten anrösten, ehe sie das geschnittene Gemüse dazugab und alles mit Wasser bedeckte, so dass es köcheln konnte.
Kurz darauf zog der vertraute Duft durch den Raum und löste die Anspannung in ihren Schultern. Sie nahm ihr Handy und trat auf die nach Süden ausgerichtete Veranda. Die Ringelblumen, die sie im Lebensmittelladen gekauft hatte, und die Geranie, ihre Begleiterin durch die ganze Welt, reckten die Köpfe den wärmenden Sonnenstrahlen entgegen. Sie bohrte mit dem Finger in die Erde und freute sich über die gelben, orangen und magentaroten Blüten.
Hmm. Vielleicht wären Ringelblumen eine hübsche Garnitur für die Teller im Restaurant. Eine reizvolle Idee. Elena stand auf, holte ihren Notizblock und schrieb sie auf.
Sie stand da, das Telefon in der Hand, und blickte nach Süden, in Richtung der blauen, scharfkantigen Bergkämme. Jenseits dieser Gipfel, einige hundert Kilometer Luftlinie entfernt, befand sich Española, eine mürrische, von der Sonne gebleichte Stadt im Norden von Santa Fé, wo die Menschen lebten, die von ihrer Familie noch übrig geblieben waren.
Sie setzte sich an den Picknicktisch und ließ den Blick über die grünen Hänge schweifen, die schon bald unter Schneemassen und Schneebegeisterten zusammenbrechen
würden, und wählte die Nummer. Maria Elena lebte mittlerweile allein und kümmerte sich gelegentlich um eines ihrer Enkelkinder. Sie trug Stretchhosen und sorgfältig gebügelte Blusen, die ihr rundes Bäuchlein kaschierten. Beim vierten Läuten ging sie an den Apparat. » Hola !«, sagte sie atemlos.
»Hey, Mama. Bist du gerade beschäftigt?«
»Elena!« Die Mischung aus Verblüffung und Freude in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Für dich bin ich doch nie zu beschäftigt, m’ija . Wo bist du?«
»Ich habe nicht viel Zeit, Ma, aber ich wollte dir nur sagen, dass ich nach Colorado umgezogen bin.« Bei den letzten Worten legte sie eine freudige Betonung in ihre Stimme.
»Du bist umgezogen? Was ist aus diesem Mann in Kanada geworden?«
»Wir haben uns getrennt. Das habe ich dir doch schon erzählt.«
»Du gibst zu schnell auf, Elena.« Maria Elena schnalzte mit der Zunge. »Das ist auch der Grund, wieso du immer noch nicht verheiratet bist.«
»Er hat mich verlassen, und ich möchte jetzt nicht darüber reden.« Elena betrachtete ein paar gespaltene Spitzen an einer Haarsträhne. »Wie geht es meinen Schwestern?«
»Margaret wird immer fetter. Julia hat diese Woche ihre Enkelkinder zu Besuch, und Rose arbeitet. Sie hat gerade mit dem Unterrichten angefangen. Wir sind so wahnsinnig stolz auf
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