Das Gluehende Grab
dir das
nämlich alles nicht erzählen, wenn Alda nichts
hinterlassen hätte.«
»Na,
dann hab ich ja richtig Glück gehabt«, sagte
Dóra, ohne eine Miene zu verziehen. »Willst du es mir
jetzt sagen, oder nicht?« Sie hatte keineswegs vor, den Mann
zu bedrängen. Die Polizei würde das schon aus ihm
herauspressen.
Adolfs
Mundwinkel sanken nach unten. »Natürlich habe ich keine
Beweise, außer ihren eigenen Worten. Gut möglich, dass
es völliger Unsinn ist.«
»Das
können andere beurteilen«, sagte Svala. »Sag ihr,
was Alda behauptet hat.«
»Okay.«
Adolf drehte sich auf dem Stuhl zu Dóra. »Sie hat
gesagt, sie wäre meine Mutter.« Gleichgültig
fügte er hinzu: »Wenn sie recht hat, dann beerbe ich sie
natürlich, und dann ist mir egal, welche von beiden meine
Mutter war. Ich beerbe sie sogar beide.« {317 }Er warf Svala
einen Blick zu. »Eine Win-Win-Situation«, sagte er
feixend.
Dóra
musterte die dunkle Hautfarbe des Mannes und rief sich Aldas Bild
ins Gedächtnis: blonde Haare, helle Haut. Zwei
unterschiedlichere Menschen konnte man sich kaum vorstellen. War
Alda verrückt geworden? Sie hatte keine Kinder. Im
Obduktionsbericht stand schwarz auf weiß, dass sie kein Kind
zur Welt gebracht hatte. Dóra war ratlos. Hatte Alda
Valgerður eine Eizelle gespendet? War Adolf ein Retortenbaby?
Dóra hielt es für unwahrscheinlich, dass es diese
Möglichkeit damals schon gegeben hatte. Und wenn Alda die
Mutter dieses Mannes war, wer war dann der Vater? Markús?
Und wo zum Teufel war dann der Sohn, den Valgerður
Bjólfsdóttir großgezogen hatte?
35
DIENSTAG
24. JULI 2007
Adolf war am
27. Oktober 1973 geboren. Er musste also im Januar, etwa zur Zeit
des Vulkanausbruchs, gezeugt worden sein. Wie kam Alda darauf, sich
als seine Mutter auszugeben? Nach dem Treffen mit Svala und Adolf
rief Dóra im Gefängnis an und befragte Markús zu
Adolfs Behauptungen. Markús meinte, das Ganze sei
unmöglich, musste jedoch zugeben, dass Alda genau zum
Zeitpunkt einer etwaigen Schwangerschaft von der Bühne
verschwunden war und etwa ein Jahr lang nicht gesehen wurde. Er
regte sich maßlos über »diesen Klatsch« auf
und fragte, wer denn auf die Idee käme, dass Alda ihm so etwas
verheimlicht hätte. Dóra wusste, dass zumindest eine
Person die Wahrheit kannte – Aldas Mutter. Schnell beendete
sie das Gespräch und versicherte Markús, dass sie sich
vor der Entscheidung des Bezirksgerichts über den
Verlängerungsantrag der U-Haft treffen
würden.
Bevor
Dóra Kontakt zu Aldas Mutter aufnahm, musste sie noch
klären, ob es überhaupt möglich war, dass Alda ein
Kind bekommen hatte, wenn im Obduktionsbericht stand, sie
hätte nicht geboren? Dóra wählte Hannes’
Nummer und musste grinsen. Das war schon das zweite Telefonat, bei
dem es nicht um die Kinder ging – ein absoluter Rekord.
»Hallo Hannes. Ich weiß, du bist auf der Arbeit, ich
fasse mich kurz. Kann eine Frau Mutter sein, wenn in ihrem
Obduktionsbericht steht, dass sie nicht geboren
hat?«
Nach langem
Hin und Her drückte sich Hannes am Ende so aus, dass
Dóra ihn verstehen konnte. Bei einer Obduktion stellte man
fest, ob eine Frau auf natürlichem Wege ein Kind zur Welt
gebracht hatte. Der Gebärmutterhals und die Geschlechtsorgane
der Frau wurden untersucht, vor allem, wenn sie keines
natürlichen Todes gestorben war. Eine Frau konnte jedoch durch
einen Kaiserschnitt ein Kind zur Welt bringen, ohne dass Anzeichen
davon am Gebärmutterhals erkennbar waren. Merkmale eines
Kaiserschnitts sah man am Bauch und an der
Gebärmutter.
»Da
stand nichts von Kaiserschnittnarben«, sagte Dóra.
»Sie hatte allerdings eine Fettabsaugung. Könnte das die
Kaiserschnittnarben überdeckt haben?«
Hannes meinte,
er sei kein Spezialist, weder für Schönheitschirurgie
noch für Rechtsmedizin, aber er gehe mal davon aus, dass
solche Narben bei einer Fettabsaugung verschwänden. Dies
erkläre aber nicht, warum keine Merkmale an der
Gebärmutter zu erkennen waren.
»Könnte
der Arzt das übersehen haben? Bei der Obduktion ging es ja gar
nicht darum, ob sie ein Kind zur Welt gebracht hatte.
Außerdem lagen noch drei weitere Leichen und ein Kopf in der
Warteschleife.«
Hannes wollte
sich dazu nicht äußern, wie sehr Dóra ihn auch
drängte, und sie musste sich mit dieser Auskunft zufrieden
geben. Es war also nicht ausgeschlossen, dass Alda ein Kind
bekommen hatte. Dóra musste unbedingt mit Aldas Mutter
sprechen. Wenn Adolf Aldas Sohn war, erklärte das, warum
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