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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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glitt durch die Tür.
Sie wollte nicht direkt bemerkt werden und versuchte, die alte
Tür möglichst ohne Quietschen zu schließen.
     
     
    »Ich
hätte den Sarg lieber offen gehabt«, sagte
Jóhanna und {322 }strich zärtlich über den
glänzenden Sargdeckel. »Ich glaube, Alda hätte das
auch gewollt.«
    Dóra
trat näher und hörte die ältere Frau schnauben.
»Das würdest du nicht sagen, wenn du ihr Gesicht mit den
Kratzspuren gesehen hättest. So hätte sie sich nie
anderen Leuten gezeigt, wenn sie noch am Leben
wäre.«
    »Man
hätte sie überschminken können«, entgegnete
Jóhanna verdrießlich. Sie stand immer noch mit dem
Gesicht zum Sarg und hatte beide Hände darauf gelegt.
»Das hätte man wirklich machen
können.«
    »Wenn du
sie noch einmal sehen willst, können wir bestimmt fragen, ob
wir den Deckel abnehmen dürfen«, sagte die alte Frau
vollkommen sachlich. »Ich war eben schon hier, als sie sie
gebracht haben, und durfte sie sehen.« Sie ließ den
Kopf sinken. »Ich würde es dir aber nicht empfehlen. Das
ist nicht mehr unsere Alda. Sie ist eiskalt und bestimmt direkt aus
dem Kühlraum hergebracht worden. Ich wollte, ich hätte
sie nicht so gesehen.«
    Dóra
stand nur eine Sitzreihe hinter den Frauen und räusperte sich.
Die beiden schauten auf und starrten Dóra an. »Was
machst du denn hier?«, fragte Jóhanna
perplex.
    »Was
fällt dir ein hierherzukommen?«, rief ihre Mutter mit
tränenerstickter Stimme. »Weißt du nicht, dass wir
die Sarglegung für meine Tochter vorbereiten? Das ist kein Ort
für die Verteidigerin ihres Mörders.« Ihre Stimme
klang eher wütend als traurig.
    »Markús
hat Alda nicht ermordet«, sagte Dóra ruhig und
verdrängte das unangenehme Gefühl, die beiden in dieser
Situation belästigen zu müssen. »Er hat ein
perfektes Alibi – er kann unmöglich in der Nähe
gewesen sein.«
    Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte sich Jóhanna wie schlafwandlerisch bewegt,
aber jetzt schien sie zu sich zu kommen. Ihr Gesicht sah noch
abgekämpfter aus, als Dóra es in Erinnerung hatte
– ihr Haar war fettig und ihre Kleidung abgetragen. Ihre
Mutter hingegen hatte sich zurechtgemacht und sah würdevoll
aus. Die {323 }Mundwinkel ihrer rotgeschminkten Lippen bogen sich
nach unten. »Natürlich hat er ein Alibi«, sagte
die alte Frau ironisch. »Sein Bruder Leifur kann ihm ja auch
mit Leichtigkeit eins verschaffen.«
    »Nein«,
entgegnete Dóra immer noch sehr ruhig. »Das ist nicht
richtig.« Sie beschloss, nicht näher auf das Alibi
einzugehen. Entweder sie glaubten ihr oder nicht.
»Markús muss heute vor Gericht, weil ein Antrag auf
Verlängerung der U-Haft gestellt wurde. Es lässt sich
problemlos nachweisen, dass er Alda nicht umgebracht hat. Aber von
den Vorkommnissen auf den Westmännerinseln ist er nicht so
leicht freizusprechen.« Sie schaute der alten Frau in die
funkelnden Augen. »Die meisten, die wissen, was damals
passiert ist, sind zu krank, um eine Hilfe zu sein, oder schlicht
und ergreifend nicht mehr unter uns.«
    »Warum
schaust du mich so an?«, sagte Aldas Mutter und legte sich
theatralisch die Hand auf die Brust. »Ich habe niemanden
umgebracht, falls du darauf hinauswillst.«
    »Nein,
darauf will ich nicht hinaus«, entgegnete Dóra,
»aber ich glaube, dass du weißt oder zumindest eine
Ahnung hast, wer die Männer umgebracht hat. Ich bin mir
ziemlich sicher, dass Markús’ Vater und der
verstorbene Daði daran beteiligt waren. Und möglicherweise
war auch dein Mann nicht ganz unschuldig.«
    Die Frau
starrte Dóra wortlos an. Jóhannas verwunderter Blick
wanderte zwischen den beiden Frauen hin und her. »Stimmt das,
Mama? Sitzt Markús im Gefängnis für einen Mord,
den Papa begangen hat?«
    »Jetzt
reicht’s«, stieß die Mutter hervor, ohne ihre
Tochter dabei anzuschauen. Sie fixierte Dóra mit strengem
Blick. »Ich muss dich bitten zu gehen. Ich kann dir leider
nicht helfen. Falls Magnús und Daði etwas verbrochen
haben, dann tut mir das leid, aber ich kann nicht für sie
sprechen.«
    »Hat
Alda ein Kind zur Welt gebracht?«, fragte Dóra
unvermittelt. Jóhanna wirkte erleichtert, da sie anscheinend
dachte, Dóra sei verrückt geworden, aber ihre Mutter
erschrak.
    »Was
soll der Unsinn?«
    »Ich
habe heute Morgen einen jungen Mann getroffen, der erzählt
hat, Alda hätte ihn mehrmals kontaktiert und behauptet, seine
Mutter zu sein. Lügt er etwa?«
    »Wovon
spricht sie, Mama?« Jóhannas Stimme wurde schrill.
»Ist das das Geheimnis, von dem Alda mir

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