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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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in
Magnús’ Keller gekommen waren. »Hat
Magnús Daði dabei geholfen, sie dorthin zu
schaffen?«
    Die Frau
schüttelte den Kopf. »Nein, hat er nicht. Magnús
hat Daði zum Hafen begleitet, um einen Falken zu retten, den er
an Bord des Seglers in einem Käfig gesehen hatte.
Außerdem wollte er alles, was wertvoll war, mitnehmen. Die
Finanzlage der Firma, die er und þorgeir damals hatten, war
ziemlich schlecht. Ich glaube, Magnús hat sich noch nicht
mal in die Kajüte getraut, in die sie die Leichen gelegt
hatten. Er hätte sie nie bei sich im Haus {329 }haben wollen.
Das Segelboot sollte mit den Leichen an Bord versenkt
werden.«
    »Es
waren Vogeldiebe«, sagte Dóra. Das erklärte
Magnús’ Bemerkungen über Vögel. Er dachte
immer noch darüber nach, ob der Falke, den er freigelassen
hatte, überlebt hatte.
    »Das hat
þorgeir auch gesagt. Sie haben Karten an Bord gefunden, auf
denen Adler- und Falkennester eingezeichnet waren. Keiner
weiß, ob sie den Falken schon länger hatten oder erst
auf dieser Fahrt gefangen haben. Magnús hat ihn noch in der
Nacht freigelassen.«
    Jóhanna
glotzte ihre Mutter an. Dóra konnte sich nicht vorstellen,
was jetzt in ihrem Kopf vorging – ob sie zu wütend war,
um etwas zu sagen, oder einfach sprachlos vor Entsetzen.
»Warum wollten Daði und Valgerður euch eigentlich
unbedingt helfen?«, fragte Dóra. »Waren sie doch
nicht so übel, wie mir alle erzählt
haben?«
    Wieder zog
sich ein kaltes Lächeln über das Gesicht der alten Frau.
»Eine Hand wäscht die andere. Allerdings geht es dabei
nicht immer gerecht zu.«
    »Was
meinst du damit?«, fragte Dóra. »Wollten sie
etwas dafür haben, dass sie geschwiegen und die Leichen
weggeschafft haben?«
    »Ja«,
sagte sie leise. »Magnús sollte eine Schuld für
Daði auf sich nehmen. Jahrelanger Alkoholschmuggel.
Magnús hat zugestimmt – er hatte ja auch keine andere
Wahl.« Die Frau verstummte und holte tief Luft. »Unser
Preis war wesentlich höher. Valgerður hat Alda im
Krankenhaus nach ihrem Zyklus gefragt. Sie wollte das Kind, das
Alda im Bauch trug.« Die Frau schaute Dóra direkt in
die Augen. »Alda hat diesem abscheulichen Pack den Preis
bezahlt. Nachdem wir es endlich über uns gebracht hatten, ihr
die ganze Geschichte zu erzählen, hat sie eingewilligt. Unter
normalen Umständen hätte sie abgetrieben. Valgerður
hat den Krankenbericht beseitigt und sich darum gekümmert,
dass Alda schon wieder zu Hause war, als die Ärzte am
nächsten Morgen {330 }eintrafen. Sie hat den Nachtschwestern
vorgelogen, Alda würde nur ihren Rausch ausschlafen, sie sei
die Tochter einer Freundin, und Valgerður tue ihr einen
Gefallen. Daher hat niemand nach ihr geschaut, bis wir das arme
Kind ganz früh am nächsten Morgen abgeholt haben. Sie war
nie wieder dieselbe.«
    »Hatte
Markús irgendwas mit der Geschichte zu tun?«, fragte
Dóra. »War er in die Morde
verwickelt?«
    »Nein.
Er gehörte zu denjenigen, die zu viel getrunken hatten. Laut
Magnús lag er schlafend zu Hause auf dem Sofa. Er hatte
nichts damit zu tun.«
    Dóra
atmete befreit aus. Sie stand vor der Fríkirkja und genoss
den Regen, der leise vom Himmel fiel. Sie holte ihr Handy heraus
und rief die Polizei an.
    Tinna wachte
mit tränennassen Wangen und leise schluchzend auf. Sie hatte
keine Ahnung, warum sie weinte. Sie befand sich immer noch im
Krankenhaus, aber nicht in ihrem Zimmer. In der Deckenleuchte war
kein Staub, und das Bild an der Wand hatte einen anderen Farbton.
Nicht viel anders, nur etwas gelber. Sie versuchte, sich
umzudrehen, aber ihr linker Oberarm und ihre Brust taten weh. Der
Schmerz war nicht stechend, eher so, wie wenn eine Betäubung
nachlässt. Tinna schaute an sich herunter. Sie trug
Verbände unter dem Nachthemd, sowohl an der linken Brust als
auch unterhalb der Schulter. Was war geschehen? Hatte sie sich im
Schlaf verletzt, ohne dabei aufzuwachen – auch nicht, als
ihre Wunden verbunden wurden? Sie war immer noch müde, und ihr
war schwindelig. Hatte sie Tabletten genommen? Sie musste mit
jemandem reden. Mit einem Erwachsenen, der ihr zuhörte und sie
nicht nur anschaute und so tat, als würde er zuhören. Sie
konnte beinahe sehen, was ihnen durch den Kopf ging, wenn sie so
taten, als würden sie ihr zuhören: Sie ist krank. Die
Arme. Wir wissen, was das Beste für sie ist. Wir wissen es.
Lassen wir sie mal reden, aber wir wissen, was das Beste
ist.
    Tinna
drückte auf den roten Knopf und wartete ungeduldig auf die
Krankenschwester. Was soll

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