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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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schließlich an, er
könne sie jederzeit anrufen.
    Dóra
trank noch einen Schluck Kaffee und stand auf. Sie schaute
über das ruhige Meer, sog die Luft durch die Nase ein und
schloss die Augen. Wie sollte sie weiter vorgehen? Die
Untersuchungshaft erschwerte es ihr, Kontakt zu möglichen
Zeugen aufzunehmen. Aldas Mutter und ihre Schwester würden sie
wohl kaum mit offenen Armen empfangen, und auch Aldas Kollegen
wären ihr gegenüber misstrauisch. Dóra beschloss,
mit den Kollegen anzufangen. Gestern hatte sie eine Nachricht von
Dís, der Ärztin aus der Praxis, in der Alda gearbeitet
hatte, bekommen. Sie willigte ein, Dóra zu treffen.
Vielleicht wusste sie etwas über den wirklichen Grund für
Aldas Kündigung in der Notaufnahme. Die Theorie von Aldas
Schwester, der Mörder sei ein {169 }Vergewaltiger mit
Rachegelüsten, klang inzwischen ziemlich
überzeugend.
    Dóra
öffnete wieder die Augen und blickte über die
spiegelglatte Meeresoberfläche, die einen schöneren
Anblick bot als der verwilderte Garten. Dóra wollte ihn
diesen Sommer in Schuss bringen, aber zu mehr als Rasenmähen
war sie noch nicht gekommen. Die Hecke war mannshoch, die Zweige
wuchsen in alle Himmelsrichtungen, und die Blumenbeete versanken im
Unkraut. Dóra drehte sich um und ging ins Haus. Den Garten
würde sie sich nächstes Jahr
vornehmen.
    Im
Wartezimmer saßen noch drei Patienten. Dóra fand, dass
sie im Vergleich mit ihnen am ehesten einen
Schönheitschirurgen nötig hatte. Sie konnte sich beim
besten Willen nicht vorstellen, warum die beiden attraktiven jungen
Frauen und der Mann hier waren. Im Interesse der weiblichen
Bevölkerung Islands hoffte sie, dass der junge Mann keine
Geschlechtsumwandlung plante. Das Wartezimmer war dezent, aber
teuer eingerichtet. Dóra war es unangenehm, im Wartezimmer
zu sitzen, während die anderen Patienten sie musterten und
zweifellos überlegten, welche Operation sie durchführen
lassen wollte. Endlich tauchte eine Sprechstundenhilfe auf und
verkündete, Dís habe jetzt Zeit für
sie.
    Dís
telefonierte noch und zeigte auf einen Stuhl. Dann legte sie auf,
erhob sich und reichte Dóra die Hand. Sie trug eine
taillierte weiße Bluse und eine schwarze Hose, die von einem
breiten Gürtel auf ihren schlanken Hüften gehalten wurde.
Sie war ungefähr in Dóras Alter und hatte eine Topfigur
– die sie bestimmt keinen Operationen, sondern Blut,
Schweiß und Tränen bei einem Privattrainer zu verdanken
hatte. Für Schönheitschirurgen war es augenscheinlich
wichtig, gut auszusehen.
    »Guten
Tag.« Dís schien zu merken, dass Dóra ihren
Körper musterte. Sie setzte sich wieder. »Entschuldige
bitte, dass du warten musstest. Ich bin aufgehalten worden.
Normalerweise ist es hier nachmittags ziemlich
ruhig.«
    »Kein
Problem. Ich bin froh, dass wir uns so kurzfristig treffen
konnten.«
    »Ich
hatte den Eindruck, es sei dringend.« Dís
lächelte. Ihre Gesichtszüge waren denen Dóras
nicht unähnlich – hohe Wangenknochen und ein breiter
Mund. Der Unterschied lag in der gepflegten Frisur und dem
perfekten Make-up. Dóra trug einen praktischen Pferdeschwanz
und nur Wimperntusche. »Ich habe in der Zeitung gelesen, dass
jetzt jemand in U-Haft genommen wurde. Hoffentlich bekommt er eine
angemessene Strafe.«
    Dóra
räusperte sich. »Äh, ja, ich sollte wohl
erwähnen, dass ich seine Anwältin bin.« Das
freundliche Gesicht der Ärztin verdunkelte sich. »Er
sagt, er sei unschuldig, und die Polizei hat nicht viel gegen ihn
in der Hand. Die U-Haft ist in Anbetracht der Schwere des Falls
ungewöhnlich kurz angesetzt. Das zeigt, dass der Richter nicht
von der Schuld meines Mandanten überzeugt ist. Es gibt einige
Hinweise auf seine Unschuld. Ich brauche Informationen, die seine
Aussage stützen, und ich möchte den wahren Mörder
finden.« Dóra holte tief Luft. »Wenn einem Alda
wichtig war, will man bestimmt nicht, dass der Falsche bestraft
wird.«
    Dís
schwieg und schaute Dóra nachdenklich an. Dann entspannte
sich ihr Gesicht. »Das möchte ich natürlich auf
keinen Fall. Dass ein Unschuldiger verurteilt wird. Falls dein
Mandant unschuldig ist, würde ich dir gerne
helfen.«
    »Vielen
Dank.« Dóra konzentrierte sich auf ihre Fragen. Die
Patienten im Wartezimmer hatten schließlich noch wichtige
Schönheitskorrekturen mit der Frau zu besprechen. »Als
du gehört hast, dass Alda ermordet worden ist, hast du dir
doch bestimmt überlegt, wie es passiert sein könnte und
ob sie irgendwelche

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