Das Gluehende Grab
es
mitgebracht haben.« Dóra ließ Dís einen
Moment Zeit, um das zu verdauen, und sprach dann weiter. »Es
gibt nicht sehr viele Leute, die Zugang zu so was haben. Mein
Mandant ganz bestimmt nicht.«
Die Röte,
die Dís’ Wangen hinaufkroch, wurde zwar
größtenteils von Make-up überdeckt, blieb
Dóra aber dennoch nicht verborgen. »Also, ich hab seit
Ende letzten Monats keine Inventur mehr gemacht. Es wäre das
erste Mal, dass im Arzneimittellager etwas fehlt.« Sie
räusperte sich geziert. »Weder Ágúst noch
ich hätten einen Grund, Alda etwas anzutun. Ganz im Gegenteil
– ihr Tod war ein ziemlicher Schlag für
uns.«
Die Frau
schien es ehrlich zu meinen. »Die Polizei wird euch mit
Sicherheit noch vernehmen«, sagte Dóra.
»Früher oder später tauchen die hier auf und
kontrollieren euer Lager.«
»Die
Polizei?«, echote Dís. »Ich hab schon eine
Aussage gemacht, als ich Alda gefunden habe. Da ... ist man noch
von Selbstmord ausgegangen.« Sie schüttelte den Kopf.
»Das ist alles so furchtbar.« Dís schloss die
Augen und erschauerte leicht.
Dóra
sah, dass Dís’ Blick zu dem kleinen Wecker auf dem
Schreibtisch wanderte. »Bis jetzt habe ich nur Gutes
über Alda gehört – von ihren Jugendfreundinnen, von
ihrer Schwester und so weiter. Nur eine Kollegin aus der
Notaufnahme ... – Sie hat zwar auch nicht schlecht über
Alda geredet, aber durchblicken lassen, dass etwas vorgefallen ist.
Weißt du, warum Alda ihren Nebenjob geschmissen
hat?«
Dís
schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Sie wollte
nicht darüber reden. Ich hab gedacht, sie erzählt es mir
vielleicht später mal. Aber daraus wird jetzt wohl nichts
mehr.« Dís zuckte traurig mit den
Schultern.
Dóra
hatte den Eindruck, dass die Ärztin mehr wusste. »Aber
du hast eine Vermutung?«
Dís
knabberte an ihrer Unterlippe. »Ich weiß nicht, ob ich
dir das sagen soll.« Sie schaute Dóra zögernd an.
»Ich hab jede Menge Pornoseiten in Aldas Computer gefunden.
Ich konnte es kaum fassen. Das passt überhaupt nicht zu
ihr.« Sie holte tief Luft. »Und es hat mich auf die
Idee gebracht, ob sie vielleicht ein Verhältnis mit einem Arzt
oder einem Kollegen von der Notaufnahme gehabt haben
könnte.«
»Wäre
das ein Grund, sie vom Dienst freizustellen?« Dóra
schoss durch den Kopf, dass es sich sogar um ihren eigenen Ex-Mann
handeln könnte. »Sind Verhältnisse zwischen
Kollegen im Krankenhaus etwa verboten?«
»Nein«,
antwortete Dís. »Ich glaube nicht. Aber es wird
vielleicht nicht gern gesehen. Na ja, und das Zeug in ihrem
Computer war alles andere als romantisch. Knallharte Pornographie.
Vielleicht hat Alda ja im Krankenhaus mit jemandem
rumgemacht.«
Dóra
musste unbedingt noch einmal mit Hannes sprechen. Wenn das stimmte,
musste er etwas von der Geschichte mitbekommen haben.
»Weißt du, wer das sein könnte? Ein Arzt oder
vielleicht sogar ein Patient?«
»Nein,
keine Ahnung, war nur so eine Vermutung. Ich bin drauf gekommen,
weil ich Mails zwischen Alda und einer Sexualberaterin gefunden
hab. Vielleicht hat Alda nach dem Eklat im Krankenhaus Rat bei ihr
gesucht.«
»Ist das
aus den Mails hervorgegangen?«
»Nein,
es waren nur Terminbestätigungen«, antwortete
Dís.
»Erinnerst
du dich an den Namen der Frau?«
Dís
nickte. »Ja, sie heißt Heiða. Ich weiß den
Nachnamen nicht {175 }mehr, aber in Reykjavík gibt es
bestimmt nicht sehr viele Heiðas mit diesem
Beruf.«
»Hat
Alda mal mit dir über Tätowierungen geredet?«,
fragte Dóra, während sie sich den Namen notierte.
»Sie wollte ihrer Schwester etwas über ein Tattoo
anvertrauen.«
»Ein
Tattoo?«, fragte Dís verwundert. Dann hellte sich ihr
Gesicht auf. »Ach ja, vor kurzem war ein junger Mann hier,
der wollte wissen, ob er eine Tätowierung entfernen lassen
kann – das hat Alda sehr interessiert. Sie hat lange mit ihm
geredet, ihn gefragt, wo er es hat stechen lassen, als ob sie sich
selbst tätowieren lassen wollte. Als ich nachgefragt hab, hat
sie nur gelacht. Später hat sie mich und Kata, die
Sekretärin, in der Kaffeepause nochmal darauf angesprochen. Es
ging darum, ob sich jemand zur Erinnerung an ein traumatisches
Erlebnis tätowieren lassen würde. Kata und ich haben
nicht verstanden, worauf sie hinauswollte.« Dís
öffnete ihre Schreibtischschublade. »Wenn du schon mal
hier bist, kann ich dir ja auch gleich das hier zeigen.« Sie
zog ein paar Blätter heraus. »Diese Unterlagen habe ich
in Aldas Schreibtisch gefunden. Das hier sieht
Weitere Kostenlose Bücher