Das Götter-Opfer
sahen aus wie dunkle, wellenförmige Schatten, die mitten in der Bewegung plötzlich erstarrt waren.
Die einzige Lichtquelle reichte aus. Sie erfaßte auch die Person auf dem Bett.
Selima lag auf dem Rücken. Nur die Schuhe hatte sie ausgezogen. Ansonsten trug sie noch ihre Kleidung. Die Augen hielt sie geschlossen. Eigentlich hätte sie sehr ruhig schlafen können oder sogar müssen, aber das traf bei ihr nicht zu. Trotz der geschlossenen Augen war sie von einer inneren Unruhe gepackt. Sie zuckte hin und her. Mal waren es die Füße, dann wieder die Hände. Es war schon ungewöhnlich.
Auch die Lippen bewegten sich, aber kein Laut drang hervor. Nur das Atmen, das sich manchmal zischend anhörte.
»Sie träumt«, flüsterte Jane.
»Kann sein.«
»Wieso kann?«
Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht befindet sich ihr Geist auf einer Reise in die tiefe Vergangenheit des Landes Ägypten. Ich traue ihr mittlerweile alles zu.«
»Kannst du es herausfinden?«
»Nein, das will ich auch nicht. Da muß sie durch. Wir schauen später noch mal nach ihr.«
»Das sowieso.« Jane zog die Tür leise wieder zu und sah Sarah an. »Bisher ist alles in Ordnung«, sagte sie leise.
»Bis auf die leichte Unruhe – oder?«
»Das ja.«
Ich war schon zur Treppe gegangen. »Wir sollten sie allein lassen und oben nachschauen, ob wir etwas über sie finden. Manchmal muß man eben auch Glück haben.«
»Hoffen wir’s«, sagte Sarah Goldwyn…
***
Jane Collins hatte sich mit einem Lächeln verabschiedet, und genau dieses Lächeln hatte Selima auch gutgetan. Für sie war es so etwas ähnliches wie ein Versprechen gewesen. Obwohl sie allein im Zimmer war, fühlte sie sich nicht allein. Sie freute sich plötzlich, einen gewissen Schutz zu haben, denn alle drei standen auf ihrer Seite.
Sie ging zum Bett, nahm auf der Kante Platz und zog ihre Schuhe aus. Nur sie. Jane Collins hatte ihr zwar ein Nachthemd angeboten, doch darauf wollte Selima verzichten.
Das Licht der Nachttischlampe gab einen ruhigen und auch beruhigenden Schein ab. Durch den gelben Schirm wurde das helle Licht gefiltert und paßte sich der übrigen Einrichtung des Zimmers an.
Es war gemütlich. Nicht kalt. Möbel mit warmen Farben. Ein Sessel, ein schmales Regal, in dem die Glotze und eine kleine Compact Disc-Anlage standen.
Ein weicher Teppichboden, ein zweiflügeliges Fenster, vor dem die junge Frau stehenblieb, obwohl sie eigentlich müde war. Als sie hinausschaute, stützte sie die Hände auf die Fensterbank. Viel war nicht zu sehen. Draußen dunkelte es langsam. Der Himmel bekam eine Schicht aus Teer, die sich immer weiter ausbreitete.
Selima schloß die Vorhanghälften und ging auf das Bett zu. Jeden Schritt nahm sie anders auf als sonst. Sie berührte zwar den Boden, doch sie hatte das Gefühl, leicht darüber hinweg zu schweben. Neben dem Bett blieb sie stehen. Obwohl sie nicht schnell gegangen war, erfaßte sie der leichte Schwindel, so daß sie glaubte, sich auf der Stelle zu drehen.
Das war nicht normal. Sie wußte es genau, aber sie konnte nichts dagegen tun. Selima gab zu, daß sie ihren eignen Körper nicht mehr im Griff hatte. Er schien von anderen Kräften fern- und fremdgelenkt zu werden.
Ich bin da, dachte sie, ich sitze sogar auf dem Bett, aber ich komme mir vor wie jemand, der auf der Reise zu einem anderen Ort ist. Direkt auf der Schwelle.
Mit diesen Gedanken ließ sie sich nach hinten fallen. Und wiederum glaubte sie zu schweben. Es dauerte ihrer Meinung nach länger, bis sie die Matratze und auch das Kopfkissen erreicht hatte. Wenig später hob sie noch die Beine an und streckte sie aus.
In dieser Lage hätte sie eigentlich ein wohliges Gefühl überfallen müssen, doch auch das blieb aus. Sie lag da, ohne sich entspannen zu können. So wie sie mußte sich jemand fühlen, der auf einer Streckbank seinen Platz gefunden hatte.
Selima schaute zur Decke.
Sie war da, sie blieb da, aber sie war auch dabei, sich zu verändern. Zumindest für die junge Frau, denn die Decke schien sich zu einem Himmel zu erweitern. Sie nahm an Größe zu, so daß sie bald die Ausmaße eines Gewölbes angenommen hatte.
Dann hörte sie Stimmen.
Es sprach niemand, die Stimmen vereinigten sich zu einem fernen Gesang. Er hatte nichts mit dem Singen zu tun, das sie kannte. Die Melodie war sehr fremd, aber zugleich war sie ihr auf eine gewisse Art und Weise vertraut.
Ein Flötenspiel war zu hören. Jammernde und klagende Töne mischten sich in den Gesang der Stimmen
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