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Das Götter-Opfer

Das Götter-Opfer

Titel: Das Götter-Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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darüber, denn sie war mit Leib und Seele dabei.
    Jane Collins kam nicht zu uns. Sie ging in eine andere Richtung weg, und zwar auf die Tür zu. Dabei hielt sie sich etwas geduckt, wie jemand, der einen bestimmten Verdacht geschöpft hat.
    »Paß auf, John, hier hast du einige Bücher zur Auswahl. Ich werde dir einen Tip geben können…« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte schon die Hand aus, aber Janes Ruf ließ sie innehalten.
    »Kommt!«
    »Was ist denn?«
    »Macht schon!«
    Ich hatte sie vor Lady Sarah erreicht. Jane stand auf der Schwelle der offenen Tür. Sie schaute über die dunkle Treppe hinweg nach unten, ohne etwas sehen zu können.
    Dafür hörte sie etwas.
    Einen Schrei!
    Und es gar nur eine, die ihn ausgestoßen haben konnte – Selima!
    ***
    Jane und ich flogen nicht die Treppe hinab, obwohl wir uns sehr beeilten. Wir hielten uns am Geländer fest, ein Ausrutschen wäre fatal gewesen, und als wir die Tür erreicht hatten, blieben wir zunächst stehen, um zu Atem zu kommen.
    Selima schrie nicht mehr.
    Dafür hörten wir andere Geräusche. Ein leises Jammern, das immer wieder stockte, weil eine weibliche Stimme sprach. Es dauerte ein paar Sekunden, bis wir herausgefunden hatten, daß es unser Schützling war, der so redete.
    Auch Lady Sarah hatte uns mittlerweile erreicht. Sie verhielt sich aber still.
    Jane warf mir einen fragenden Blick zu. Inzwischen brannte auch das normale Flurlicht, und ich erkannte die Frage, die in ihren Augen lag. Ist sie es?
    Ja, sie war es. Nur sprach Selima in einer anderen Sprache. Die verstand niemand von uns. Ich ging davon aus, daß es Altägyptisch war. Wenn das stimmte, mußte sie wieder in ihre erste Existenz zurückgeholt worden sein.
    Ich dachte wieder an das Götter-Opfer und hoffte, daß es nicht schon so weit war.
    »Okay, gehen wir!« Meine Hand lag schon auf der Klinke. Zuvor jedoch hatte ich das Kreuz von meiner Brust weggenommen und in die Tasche gesteckt…
    Das Ankh war jetzt ungemein wichtig, wie es schon damals bei der Begegnung mit Fatima gewesen war. Sie hatte erkannt, daß ich so unter dem Schutz des Gottes Osiris gestanden hatte, und so war es ihr nicht gelungen, auch aus mir das Leben zu saugen.
    Ich drückte die Klinke sehr langsam nach unten. Das Jammern hörte sich schlimm an. Die gesprochenen Worte klangen kehlig, und aus ihnen war deutlich die Angst hervorzuhören. Das Zimmer war heller geworden. Schon beim ersten Lichtspalt war es zu sehen. Es konnte auch nicht am Licht liegen, und ich schob die Tür schneller nach innen.
    »Mein Gott«, flüsterte Lady Sarah nur…
    ***
    Wir alle schauten in das goldene Licht!
    Es stammte nicht aus einer normalen Quelle, sondern wurde von den Augen der jungen Frau abgestrahlt, die auch nicht mehr auf dem Bett lag, sondern darüber hinwegschwebte, als hätten unsichtbare Hände sie in die Höhe gehoben.
    Staunend standen wir da. Wir hatten sogar das Atmen vergessen, denn das Gästezimmer des Hauses war zu einem Raum geworden, in dem sich zwei Welten verteilten.
    Zum einen die Gegenwart, existent durch Selima, zum anderen aber auch eine tiefe Vergangenheit, und sie war ebenfalls existent durch Selima.
    Zwei Zeiten, zwei Welten!
    Auch mir rann es kalt den Rücken hinab, als ich das sah. Allein durch die Kraft der goldenen Augen war die Welt der Vergangenheit geschaffen worden. Selima lag auf dem Rücken. Der goldene Schein strahlte gegen die Decke, aber er verteilte sich nicht nur dort, sondern breitete sich auch aus und floß wie ein Hologramm oder wie der Trick eines Zauberkünstlers durch den gesamten Raum.
    Wahnsinn…
    Selima hatte uns nicht gesehen. Sie war gefangen in ihrer und in der alten Welt. Noch immer schwebte sie durch die Luft und mußte Schreckliches erleben, denn das leise Wimmern und Stöhnen hatte nicht aufgehört. Sie sah sich selbst in ihrem ersten Leben, und sie mußte mit ansehen, wie sie zu einem Götter-Opfer wurde.
    Die Szene war schlimm. Zwischen zwei mächtige Säulen hatte sich eine furchtbare Bestie aufgebaut. Es war schwer, sie zu erfassen. Sie besaß kein Aussehen, das ich mit irgendeinem anderen Untier vergleichen konnte.
    Auf dem Kopf leuchtete das wirre Haar feuerrot. Es gehörte zu einem Gesicht, das den Ausdruck nicht verdiente. Ein breiter Schädel, ein ebenso breites Maul, eine Nase, die mehr eines Löwen glich, und aus deren Löchern es feucht hervorfloß. Augen, die mich an große Oltropfen erinnerten, hatten ebenfalls in dieser Fratze ihren Platz gefunden.

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