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Das Götter-Opfer

Das Götter-Opfer

Titel: Das Götter-Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Der Körper war haarlos und schimmerte wie der gelbliche Wüstensand. Am Rücken mußte sich ein Schwanz befinden, der so lang war, daß er sich um den Körper herum gewickelt hatte und an seinem Ende aussah wie eine gespaltene Zunge. Der Schwanz schimmerte braun wie alter Humus und begann jetzt zu zucken, als die Frau immer näher an das grauenvolle Geschöpf herantrat.
    Ja, es war Selima, und sie sah so aus wie jetzt. Es gab da keinen Unterschied zwischen den beiden. Der gleiche Körper, die gleichen Haare, nur war die alte Selima nackt bis auf einen schmalen bunten Gürtel, bei dem mir die hellblauen Ornamente auffielen.
    Hinter mir flüsterte Jane: »Das ist wiederbelebte Vergangenheit, und wir können nichts tun.«
    »Kann sie nicht von John gerettet werden?«
    »Nein, Sarah. Was geschehen ist, das ist geschehen. Er kann nichts tun.«
    Da hatte Jane recht. Ich bewegte mich auch nicht auf das Bild zu, sondern nahm das Gästebett als Ziel, über dem der Körper schwebte. Der Kopf war dabei etwas angehoben, als wollte die junge Frau nur nach vorn schauen, damit ihr nichts entging. Ich bezweifelte, daß sie es freiwillig tat. Sie wurde durch die andere Seite gezwungen, und sie sollte ihren eigenen Tod noch einmal miterleben.
    Aus der Nähe erkannte ich, daß Selima weinte. Die Tränen rannen zu beiden Seiten ihrer Wangen entlang nach unten und hinterließen nasse Spuren.
    Ich tat nichts und blieb nur neben dem Bett stehen, den Kopf dorthin gedreht, wo sich die Szene aus der alten Vergangenheit abspielte. Sie war auch für mich wichtig, so konnte ich jetzt erfahren, was damals passiert war. Die fast nackte Selima ging weiter. Sie drehte sich nicht um. Die Bestie war für sie wie ein Magnet, der mit seiner Anziehungskraft nie nachließ.
    Hinter der übergroßen Bestie sah ich verschwommen die Gestalten irgendwelcher Menschen. Sie hielten sich dort auf, um das Götter-Opfer mitzuerleben.
    Es lief alles in einer bedrückenden Stille ab, was die Vergangenheit betraf. Kein Schrei war zu hören, kein angstvolles Atmen. Selima ging einfach weiter, schicksalsergeben.
    Zum erstenmal bewegte sich die Bestie. Es mußte Seth, der Gott der ägyptischen Unterwelt, sein, denn so kannte ich ihn von Darstellungen und Fotografien, die man von den Wandmalereien geschossen hatte.
    Seth öffnete sein Maul.
    Er klappte es auf wie ein Monster seine Schnauze. Uns gelang der Blick in den Rachen hinein, und wir sahen auch häßliche, spitze Zähne. Der Schwanz bewegte sich jetzt heftiger. Wild schlug er über den Boden und peitschte immer wieder auf, wobei ebenfalls kein Laut zu hören war.
    Dann hob er die Arme, die er bisher gegen seinen Körper gelegt hatte. Hände besaß er nicht. Das waren gefährliche Pranken, die Steine zerdrücken konnten.
    Mit ihnen griff er von zwei Seiten zu. Er legte sie auf die Schultern der fast nackten Frau und hob sie mit einer spielerischen Bewegung an.
    Selima tat nichts.
    Sie drehte sich nicht zur Seite. Sie wehrte sich auch nicht und wurde an den Körper des mächtigen Teufels herangedrückt. Es war keine liebliche Umarmung, auch wenn sie im ersten Moment so aussah. Die Bestie hielt sie fest. Aber sie bewegte sich auch mit ihrem Opfer zur Seite, und gerade diese Bewegung löste etwas aus, mit dem wir nicht gerechnet hatten.
    Aus dem Hintergrund wallte der Dampf oder Nebel in die Höhe. Dicke Schwaden, die nach vorn trieben und uns die Sicht nahmen. Seth tauchte mit seiner Beute tief in den Dunst hinein, so daß wir ihn nur als Schattengestalt sahen.
    Zugleich hörten wir den Gesang. Verbunden mit einer unheimlich klingenden Musik, die auf einer alten Flöte geblasen wurde. Sie schien aus Knochen zu bestehen, denn das Pfeifen hörte sich wirklich so hohl und unheimlich an.
    Schreie!
    Fürchterliche Rufe. Grell und spitz. Alle Schmerzen der Welt schienen sich darin vereinigt zu haben. Aber nicht die nackte Selima hatte die Schreie ausgestoßen, es war die Person, die vor mir schwebte, sich dabei schüttelte, ihre Arme und Beine in Bewegung setzte, als wollte sie treten, um irgendwelche Ziele aus dem Weg zu schaffen.
    Ich konnte ihr nicht helfen. Sie machte Schreckliches durch, denn sie erlebte ihren eigenen Tod. Viel zu sehen war dabei nicht, weil der Rauch alles verdeckte. Aber es konnte durchaus sein, daß das Erleben viel schlimmer war. Möglicherweise spürte sie die Schmerzen, die das Götter-Opfer empfand.
    Selima stöhnte. Sie wand sich. Sie fiel dabei nicht auf das Bett. Ihr Gesicht hatte sich zu

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