Das Götter-Opfer
sich in Wasser verwandelte, und ich ahnte, daß er nicht mehr lange zu leben hatte. Deshalb sprach ich davon, einen Arzt zu holen, aber der Greis hatte etwas dagegen. Er berührte mich wieder und schüttelte sehr langsam den Kopf.
»Das hat keinen Sinn mehr«, erklärte er rasselnd, wie ein Mensch, der unter Asthma leidet. »Ich bin vielleicht nur etwas stärker gewesen als mein Freund. Aber retten kann mich niemand mehr.«
Er schaute mich an. Ein Sterbender lügt nicht, das jedenfalls glaubte ich, und ich war auch noch nicht vom Gegenteil überzeugt worden. Also würde dieser Mann die Wahrheit sagen. »Wir haben ihn nicht gekannt. Er war anonym. Wir bekamen die Informationen auch nicht über E-Mail. Einfach mit der Post. Zusammen mit dem Geld. Die Informationen haben wir verbrannt, denn so lauteten die Regeln. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen…«
Das wollte ich nicht akzeptieren. »Aber Sie mußten doch die Ergebnisse weitergeben.«
»Schon…«
»Wie denn?«
Er holte Luft. Dabei röchelte er wieder. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Nur nicht das, was immer in den Filmen oder Romanen passiert. Daß ein Informant stirbt, bevor er all seine Weisheiten zum besten gegeben hat.
»Bitte reden Sie!« drängte ich.
»Ein Geschäft. Ein Laden…«
»Und weiter?«
»Ägypten Shop. Nach Seth fragen, nach ihm und…« Ein scharfes und auch zischendes Geräusch erklang, das seinen letzten Atemzug begleitete. Ich wußte, daß es der letzte war, und hatte mich auch nicht geirrt. Das Geräusch brach plötzlich ab. Der Körper bäumte sich noch einmal auf, aber es war zu sehen, daß ihm die Kraft fehlte. Das Aufbäumen glich mehr einem Zucken.
Wenige Sekunden später lag der Mann unbeweglich vor mir. Er war seinem Freund gefolgt.
Ich bin kein Leichenfledderer. In diesem Fall allerdings untersuchte ich den Toten und fand auch seinen Führerschein. Der Name war nicht wichtig für mich, weil er mir nichts sagte. Ich wollte nur sein Alter herausfinden.
Er war genau 34 Jahre alt gewesen. Eine verdammt frühe Zeit, um zu sterben.
Ich gab ihm das Papier zurück und drückte mich aus dem Wagen. Fatima hatte ich nicht vergessen. Noch während ich die Tür zuschob, drehte ich mich um.
Ein leerer Bürgersteig, eine leere Straße. Eine unbewegliche Natur und die Dunkelheit, durch die der leichte Wind eine gewisse Kühle mitbrachte.
Von Fatima war keine Spur zu sehen. Trotzdem ging ich davon aus, daß sie vorhanden war.
Sicherlich stand sie irgendwo, beobachtete mich und amüsierte sich dabei. Vor Wut ballte ich die Hände. Es brachte nichts, wenn ich mich aufregte. Ich mußte mich eben mit den kleinen Dingen zufriedengeben, denn ich hatte eine Spur. Ein Name war gefallen: Ägypten Shop. Ich bezweifelte, daß der Sterbende gelogen hatte. Es würde bestimmt leicht sein, diesen Laden zu finden.
Das Handy hatte ich mitgenommen. Ich tippte die Nummer meines Freundes Suko ein, der sich auch meldete. Er sprach wie jemand mit vollem Mund, und ich fragte: »Ißt du gerade?«
»Man hört es doch.«
»Egal, du mußt kommen.«
»Wohin?«
»Lady Sarah. Ich warte auf dich. Alles andere später.«
»Okay, bis gleich.«
Suko und ich sind ein eingespieltes Team. Da brauchten keine Fragen gestellt und Erklärungen abgegeben werden.
Natürlich konnte ich die beiden Toten nicht hier im Wagen lassen. Sie mußten abgeholt werden, und dafür würden die Kollegen sorgen. Der zweite Anruf galt ihnen. Es war eine Truppe von Scotland Yard, die sich in Bewegung setzen würde. Dieser Fall ging die normale Mordkommission nichts an. Außerdem mußten die Leichen in unserer Pathologie untersucht werden.
Bevor Suko und auch die Kollegen eintrafen, verging Zeit. Ich wollte sie nutzen und die Frauen darüber informieren, was ich erlebt hatte. Möglicherweise hatte Selima schon etwas von diesem Ägypten Shop gehört und würde uns einige gute Tips geben können.
Ich überquerte mit langen Schritten die Straße. Das Haus der Lady Sarah lag im Dunkeln. Das Grau floß an der Fassade entlang und ließ nur die Fenster außer acht, hinter denen sich der hellere Schein abmalte.
Kaum hatte ich einen Schritt in den Vorgarten gesetzt, als es passierte. Eine Stimme sprach mich an, und ich sah die Frau nicht, die gesprochen hatte.
Ich blieb abrupt stehen. Die Stimme war von links gekommen. Über meinen Rücken rieselte es kalt. Mein Blick fiel auf ein beleuchtetes Fenster und auch auf die Haustür. Zwischen beiden sah ich sie.
Es war Fatima!
Einem ersten
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