Das Götter-Opfer
Scheibe. Das hatte bestimmt nichts mit der Spannung des Materials zu tun, dafür waren magische Gründe verantwortlich.
Die Diener verharrten auch weiterhin regungslos. Dafür hob ich die Hand an. Das Kreuz lag wie festgeklebt an meiner Handfläche, nur von einem gekrümmten Finger ganz oben gehalten.
Mit der Hand zusammen preßte ich es gegen die Scheibe!
Für einen winzigen Moment nur war der Widerstand da. Dann glühte das Ankh türkisfarben auf, und plötzlich war die Wand für mich nicht mehr vorhanden. Ich trat in die Szene. Mir wurde ein wenig schwummerig, so daß ich das Gefühl hatte, für eine halbe Sekunde weggetreten zu sein, dann war dieses Feeling verschwunden, und ich befand mich selbst inmitten dieser wie erstarrt wirkenden Szene…
***
Jane Collins hatte sich beweisen und ihrem Freund nacheilen wollen. Dagegen hatte Suko etwas. Als er merkte, daß sie sich bewegte, hielt er sie fest.
»Nein, Jane, er hat das Ankh.«
»Trotzdem, wir müssen…«
Der Vorgang riß ihr die nächsten Worte von den Lippen. Sie konnte nur staunen und zuschauen, wie es John Sinclair gelang, die Wand zu durchschreiten. Für ihn war sie nicht da. Das glühende Ankh hatte die Verbindung durchlässig gemacht, und mit dem nächsten Schritt befand sich der Geisterjäger mitten in der Szene.
Das war der Augenblick, an dem es auch Suko nicht mehr schaffte, Jane zu halten. Sie warf sich nach vorn, um John nachzueilen. Ein dumpfer Laut erklang, als Jane vor die wieder geschlossene Scheibe prallte. Sie wankte zurück und hielt sich die Stirn.
»Geschlossen«, flüsterte sie Suko zu. »Verdammt, die Scheibe hat sich wieder geschlossen. Und… und jetzt…?«
»Schauen wir zu, wie es weitergeht!«
Für mich ging es weiter.
Ich stand vor dem häßlichen Götzen, der mein gesamtes Blickfeld einnahm. Wenn ich den Kopf nach links drehte, fiel mein Blick auf die andere Seite der Scheibe, wo Jane und Suko standen. Beide waren fassungslos zurückgeblieben. Sie konnten nur noch zuschauen, was ihnen natürlich nicht paßte, was aber nicht zu ändern war. Zudem wollte ich so schnell nicht zurück. Mich umgab eine bedrückende Stille. Sie lastete wie ein Gewicht auf allem. Die Szenerie war schaurig und unheimlich. Zudem wie erstarrt, was mich allerdings nicht mit Freude erfüllte, denn ich ging davon aus, daß es mehr die Ruhe vor dem Sturm war. Es mußte etwas passieren. Dieses Atemholen konnte nicht ewig andauern.
Ich war in der Lage, mich frei zu bewegen, und ich besaß noch meine Waffen, was besonders wichtig war, denn die stillen Personen in meiner Umgebung waren bestimmt keine Freunde. Noch knieten die Diener des Seth um den Götzen. Ich sah nichts von ihren Gesichtern. Sie hielten die Köpfe gegen den Boden gepreßt. Die wallende Kleidung war über sie gefallen. Sie bedeckte auch ihre Köpfe und hing an beiden Seiten der Gesichter entlang nach unten.
Trennte die Scheibe auch Zeiten? Standen Jane und Suko auf der anderen Seite in der normalen Gegenwart und war ich durch den Sprung in die Vergangenheit katapultiert worden? Daran glauben konnte ich nicht, wollte es allerdings auch nicht völlig ausschließen.
Jedenfalls stand ich in einer stark magisch aufgeladenen Zone, ohne daß allerdings mein Kreuz reagiert hätte. Die Temperatur des Metalls blieb normal. Es gab keine Erwärmung, auch nicht dort, wo sich das Henkelkreuz abzeichnete.
Nach meiner Schätzung waren nicht einmal 30 Sekunden vergangen, als ich ein Geräusch hörte. Zunächst dachte ich, daß sich die Diener bewegt hätten. Das stellte sich als Irrtum heraus. Das Geräusch war nahe des Götzen erklungen.
Mein Blick fiel in das Maul. Den nackten Körper übersah ich einfach. In dieser weit geöffneten Höhle sah ich eine Bewegung. Als wäre eine große Zunge dabei, sich nach vorn zu schieben, doch es war keine Zunge, sondern ein Mensch.
Aus dem Maul kroch Kalim Esser hervor. Mochte der Teufel wissen, wie er dort hineingelangt war. Möglicherweise von der Rückseite und über eine Leiter, die ich nicht sah. Aber er war es, und er kletterte nach draußen. Daß ich ihm dabei zuschaute, nahm er zur Kenntnis, ohne sich weiter daran zu stören.
Er hangelte sich an der Statue entlang nach unten. Ich hätte ihn jetzt locker überwältigen können. Davon nahm ich jedoch Abstand, da ich erfahren wollte, wie es weiterging.
Esser hatte mit beiden Füßen den Boden erreicht. Noch schaute ich auf seinen Rücken. Einen Moment später nicht mehr. Da hatte er sich gedreht.
Er
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