Das Götter-Opfer
Blick blieb auf der dunklen Waffe hängen, und sie sah auch die andere Hand des Mannes, die sich bewegte und in eine bestimmte Richtung zeigte. Uber die Theke hinweg und dorthin, wo John und Suko in die Tiefe gerutscht waren.
»Du weißt Bescheid?«
Sie nickte.
»Dann geh!«
Esser machte es geschickt. Aus einem bestimmten Abstand bedrohte er die Detektivin, die einer Kugel nicht entwischen konnte, auch wenn sie sich noch so schnell bewegte. Dieser Mann würde schießen, das stand fest. Einer wie er, der so bestimmte Ziele verfolgte, nahm einfach keine Rücksicht auf sie.
Sie ging und hatte dabei das Gefühl, über einen welligen und zusätzlich noch zu den Seiten hin schwankenden Boden zu schreiten.
Sie mußte um die Theke herum gehen. Hinter sich hörte sie das Lachen des Kerls. Dann flüsterte er ihr zu, welches Schicksal ihr bevorstand. »Seth freut sich über jedes Opfer. Er will Opfer. Er will Menschen, er schluckt sie…«
Jane gab keine Antwort. Sie hatte genug mit sich selbst zu tun. Der Blick hatte sich wieder geklärt. Vor ihr lag der angebliche Lagerraum. Das schwache Licht fiel von der Decke herab, aber aus der Tiefe drang ein anderes hoch.
Flackernder Schein. Bestehend aus einer Mischung, wie sie nur Hell und Dunkel schaffen konnten. Fackeln sorgten im allgemeinen für diese Art von Beleuchtung.
»Geh schneller, Täubchen!« Esser hatte seinen Spaß. Er fügte noch ein Lachen hinzu. »Seth wartet nicht gern. Er wird sich besonders auf dich freuen.«
Ein Götter-Opfer! schoß es Jane durch den Kopf.
Ich soll ebenfalls zu einem Götter-Opfer werden. Selima hatte es erlebt, und es war ihr nicht möglich gewesen, in all den Jahren diese Erinnerung auszulöschen.
Noch war der Boden eben, doch jeder Schritt brachte Jane näher an das Verderben heran.
Vor der steilen Ebene blieb sie stehen. Schaute in die Tiefe. Sah das Licht der Fackeln. Da tanzten kleine, rote Teufel hin und her, griffen wie mit langen Armen in die Luft, um nach irgendwelchen Feinden zu tasten.
John und Suko waren nicht zu sehen. Die Tiefe unter ihr hatte die beiden geschluckt.
Sie schauderte zusammen, als die Waffenmündung ihren Hinterkopf berührte. »Los, er wartet!«
»Ja… ja…« Für Jane war es die bessere Alternative. Auf keinen Fall wollte sie sich eine Kugel einfangen.
So ging sie einen Schritt nach vorn – und kippte weg. Sie erinnerte sich noch an die Bewegungen ihrer Freunde. Auf keinen Fall wollte sie mit dem Gesicht aufschlagen. Es gelang ihr, sich zu drehen, und sie stieß sich dabei hart die rechte Schulter.
Dann ging es abwärts.
Jane konnte nicht anders. Sie schrie auf. In ihren Schrei mischte sich auch diesmal das Lachen des Ägypters…
***
Auf dem Weg nach unten hatte ich befürchtet, bewußtlos zu werden, wenn ich landete und mit dem Kopf aufschlug. Deshalb hatte ich die Hände und auch die Unterarme schützend vor meinen Kopf gelegt.
Die Reise war nur kurz. Sie kam mir trotzdem lang vor. Ich hatte den Eindruck, durch einen schattigen Kanal zu rutschen, dessen Ende sich erst in der tiefsten Hölle befand.
Der rasante Fall endete nicht abrupt. Zwar hörte die Schräge auf, aber es gab kein Hindernis, das mich stoppte. Und so rollte ich mehrmals um die eigene Achse, überschlug mich dabei, verlor den Sinn für Orientierung und blieb schließlich liegen, nachdem ich noch einmal hart mit dem Kopf aufgeschlagen war.
Der alte Vergleich, daß Sterne vor den Augen aufblitzen, traf bei mir zu. Bewußtlos wurde ich jedoch nicht. Zudem kämpfte ich dagegen an, wobei ich in meiner Nähe ein paar chinesische Flüche hörte, die Suko ausgestoßen hatte. Möglicherweise hatte er den Fall besser überstanden, weil er sich mehr in seinem Kampfsport-Training befand.
Ich öffnete die Augen und setzte mich dabei hin. Ich konnte alles erkennen, auch wenn die Umgebung noch zu schwanken schien. Die Dunkelheit, der flackernde Feuerschein, die Gestalt davor, die sich erhob.
Es war Suko. Er war früher auf die Beine gekommen als ich, sah mich, winkte mir kurz zu, was beruhigend wirken sollte, und schaute dann in die Höhe den Weg zurück.
Ich folgte seinem Blick. Es war nicht viel zu sehen. Wir sahen die breite schiefe Ebene wie eine düstere Sprungschanze vor und in die Höhe ragen. An ihrem Ende gloste das düstere Licht des Lagerraums. Etwas mehr als einen halben Meter über dem Boden hörte sie auf. Dieses restliche Stück waren wir richtig gefallen.
»Soll ich fragen, Alter, wie es dir geht?«
»Ich
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