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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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umzuschauen. Er wußte, daß er den Mietprediger Gottfried Zorn erwischen mußte. Der Mann in der Soutane war sein Weg in die Freiheit, der Schlüssel zu seiner Freilassung aus dieser schwefeligen, geschuppten Grube des Grauens, sein Pfad in die Reinkarnation.
    Wäre Ölyg ein echter Paktist gewesen, hätte er es hier unten wahrscheinlich weniger übel empfunden. Wenn er seine Seele tatsächlich für die Erfüllung eines Wunsches verkauft hätte, wäre er möglicherweise klargekommen. Aber ihm fehlte alles, das auch nur entfernt seinem innigsten Traum entsprach – eine Gemeinde.
    Es war eine traurige Zustandsbeschreibung der Religiosität im Reich Cranachan, aus dem er so unzeremoniell entfernt worden war, denn niemand hatte auch nur zufällig die Kapelle St. Absentius’ des Ordentlich Abgeschriebenen betreten. Er hatte jahrzehntelang auf einen einzelnen frommen Menschen gewartet, doch immer vergeblich.
    Er wollte dort oben doch nur eine zweite Chance. Diesmal würde alles anders laufen. Er wollte nicht mehr warten, bis jemand an die Kirchentür klopfte. Er wollte hinausgehen und die Leute holen. Ja, genau, er wollte sie hereinholen und ihnen die Frohe Botschaft in die Kehle rammen, ob sie sie nun erfahren wollten oder nicht. Im zweiten Leben würde man ihn nicht mehr ignorieren. Aber jetzt mußte er erst mal Zorn einholen …
    Er fegte um die Ecke einer schmalen Gasse, quiekte auf und kam quietschend zum Halten, als eine schwarze Soutane aus der Finsternis hervorbrach und sich um seine Kehle legte.
    »Sie folgen mir?« bellte Zorn aufgebracht und nagelte Ölyg an die gegenüberliegende Gassenwand.
    »Nein … nein … Äh, ja … Nun, noch nicht, aber ich würde gern …« stammelte Ölyg, denn seine Gedanken waren reichlich verwirrt, da der Griff um seinen Hals bedrohlich enger wurde.
    »Sie würden gern was?« fauchte Zorn.
    »Ähm … Was würde ich gern, Euer Ehren?« versuchte Ölyg es hoffnungsvoll. Es war nicht die richtige Antwort.
    Zorn verengte seinen Griff und runzelte die Stirn. Er hatte in den ausgedehnten Jahren seiner Missionarstätigkeit gelernt, daß in finsteren Gassen Gefahren lauerten. Na schön, er wußte zwar nicht genau, ob finstere scharlachrote Gassen irgendwie weniger gefährlich waren als die traditionellen finsteren schwarzen Gassen, an die er gewöhnt war. Aber Vorsicht war halt besser als Nachsicht.
    »Weswegen folgen Sie mir?« knurrte er.
    »Ähm, ich möchte Ihr Jünger sein, falls Sie verstehen, was ich meine.« Ölyg versuchte ein beruhigendes Lächeln. Aber es gelang nicht.
    Zorn betrachtete Ölygs Verhalten mit einem finsteren Blick. »Der letzte Führer hat Sie wohl hängenlassen, was?« schnaubte er höhnisch.
    »N-nein. Es fehlte an Gemeinde. Ähm, hören Sie, das ist eine lange Geschichte, und meine Kehle tut etwas weh. Könnten Sie eventuell …?« Er warf einen wehmütigen Blick zu Boden und zappelte auf eine Weise mit den Beinen, von der er hoffte, sie sei ebenso bedeutungsvoll wie einnehmend.
    Zorn ließ ihn grunzend los.
    »Uff, gehen Sie mit neuen Rekruten immer so um?« krächzte Ölyg und fragte sich, ob ein ernsthaftes Neuüberdenken der Zornschen Tauftechnik angebracht sei.
    »Nur mit denen, die mich durch finstere Gassen jagen. Was also wollen Sie?«
    »Hab ich doch gesagt«, erwiderte Ölyg schmollend. Er fühlte sich verletzt. »Ich habe nämlich eine Ihrer … ähm … kürzlich erfolgten Predigten gehört, die mich sehr nachdenklich gemacht hat, und deswegen …«
    Zorn mußte trotz seines Argwohns innerlich lächeln. »Wie sehr?«
    »Oh, sehr sehr!«
    »Genug, um hinauszugehen und sich eine komplette Garnitur blauer Wunderwäsche zu kaufen – die Größe, die allen paßt?«
    »Ja, ja, ja, ganz klar«, sagte Ölyg katzbuckelnd.
    »Und wo ist sie?«
    »Ähm, was?«
    »Die komplette Garnitur blauer Wunderwäsche – die Größe, die allen paßt. Meine Predigt hat Sie doch inspiriert, sich eine zu kaufen.«
    »Ach.« Ölyg blickte auf seine Zehen und ließ die Daumen umeinanderkreisen. »Tja, ich habe mich umgeschaut, konnte aber nirgendwo eine finden.«
    Zorns Stirn faltete sich. Er beugte sich drohend vor.
    »A-aber ich hätte mir das Zeug gekauft – ehrlich.« Ölyg bemühte erneut sein ölyges Grinsen.
    »Wie wär’s mit zwei von Wendepunkt-Willis Seelenretterzymbeln?«
    Ölyg zuckte die Achseln. »Ich nehme an, ich lief bisher vielleicht an ihnen vorbei. Aber ich bin ganz sicher, daß sie ausgezeichnet sind.«
    Zorn machte »Dz, dz«, wandte sich um und

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