Das göttliche Dutzend
gartenbaulichem Hochmut und versuchten die Zierkränze aus Schmetterlingsstrauch, Tigerlilien und Wiesenbärenklau zu übertrumpfen, die jede vorhandene Öffnung und Spalte schmückten. Es war nicht nur ein Farbentumult, es war ein ausgewachsener Farbenkrieg.
Doch die Stille des Publikums dauerte nicht lange. Lyndor schritt aufgekratzt auf die Bühne und sprang ins Schlaglicht. Er war der Mittelpunkt des üppigen Glanzes, der auf die übererregte Öffentlichkeit niederprasselte. Sein plötzliches Auftauchen ließ die schweigende Spannung zu einem tumultartigen Applaus, einem kakophonischen Jubeln und einem Sperrfeuer trommelfellzerfetzender Pfiffe werden.
Er brauchte fast zehn Minuten, bevor er sich Gehör verschaffen konnte.
»Bürger Axolotls – in meinem und in meiner Unternehmen Namen heiße ich Sie herzlich willkommen zur eheschließungsmäßigen Augenweide des Jahres! Ich bitte um herzlichen Applaus für den Zeremonienmeister des heutigen Abends, einen Mann, vom dem ich genau weiß, daß Sie ihn alle kennen, den am längsten dienenden Stadtpropheten … Lassen Sie ihn erschallen – für den einzigartigen Hauptmann Zuphall!«
Wertschätzendes Applausgedonner entlud sich lärmend, und eine eigenartig dickliche Gestalt schlurfte arthritisch ins nun breiter werdende Schlaglicht. Er war an diesem Tag möglicherweise der unglücklichste aller Anwesenden, denn es erschien Hauptmann Zuphall mehr oder weniger unsinnig, einer so übertrieben großspurigen Extravaganz zu frönen, konnten die kataklysmischen Schneestürme doch in jedem Augenblick aus allen Richtungen heranrasen. Nun ja, er wollte kein Risiko eingehen. Er war momentan in mehr Kleiderschichten gewickelt als er einzugestehen wagte, und er bedauerte es schon, seine Zustimmung gegeben zu haben, diesen Zeremonienmeisterquatsch durchzuführen. Aber der eilige Herr D’Mol hatte ihn so nett angelächelt und ihn darum gebeten. Er hatte gesagt, es sei eine große Ehre, den Altpropheten der Voraussicht dabei zu haben, damit er ihnen in die Zukunft half, und daß allein seine Präsenz dem gesamten Verlauf eine tolle Aura des Glücks verlieh … Tja, da hatte er nicht nein sagen können.
D’Mol war sehr erleichtert gewesen. Bis dahin hatte er nämlich niemanden gehabt, um diese Lücke zu füllen. Niemand wollte sich die Arbeit auf den Hals laden, weil sie so anstrengend war. Denn natürlich hatte man nichts von dem tollen Fest, wenn man nicht zum Publikum gehörte. Und man kriegte nicht zu sehen, wie die ganze Schau ablief. Doch zu D’Mols Glück hatte Zuphall vor wenigen Tagen zum ersten Mal von ›Du sollst mein Glücksstern sein‹ gehört. Deswegen machte es ihm nicht allzu viel aus, auf seinen Platz im Publikum zu verzichten und den ganzen Kram zu verpassen, der sich auf der Bühne abspielte.
Lyndor sprang ins Licht zurück. »Und die beiden, wegen denen Sie gekommen sind … Hier sind sie: Luphan …« Seine Stimme wurde unter einem Jubelsturm begraben, als das in Kürze glückliche Brautpaar Hand in Hand herbeieilte.
In der Masse des Publikums klatschten gewisse Kostümieren, Blumensteck-Ingenieure und Haarkreativisten zwar wie die Wilden, richteten aber auch ein nervöses Ohr auf die anderen Gäste, um zu lauschen, was sie von sich gaben. Diese Leute sahen ihre eigenen Fehler natürlich aus meilenweiter Entfernung. Den hastig aufgezäumten Saum, die fehlende Leopardenfellhandtasche, das welkende Knopfloch-Stiefmütterchen, die für Luphan typische Schmalzlocke, die aufgrund ihres pomadig angeklatschten Nichtvorhandenseins besonders verdächtig war. Sie klatschten mit angehaltenem Atem und fürchteten Verwünschungen.
Doch erstaunlicherweise vernahmen sie keine. Fast die gesamte Bevölkerung von Axolotl war gekommen, um den allseits begehrten Luphan Burk und Ferona Veldmusch in ihrer wilden Romanze märchenhafter Süße zu begaffen. Es spielte keine Rolle, wie sie aussahen, wie sie gekleidet waren oder ob ihre Blumen schon verwelkten.
Diese Charaktermorde konnten alle bis später warten, wenn der Tratsch losging. Dann würde man sich in glühendem Neid das Maul zerreißen. Später. Jetzt gingen da oben viel zu interessante Dinge vor.
Hauptmann Zuphall fing im sengenden Licht des auf ihn gerichteten Schlaglichts allmählich an zu schwitzen. Es konnte aber auch an seinen Nerven liegen. Er war nicht daran gewöhnt, vor großen Menschenmengen zu reden.
Ohne viel Getue begann er mit der zeremoniellen Rede, die ihn die ganze Nacht nicht hatte schlafen
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