Das göttliche Dutzend
bei.
Erstaunlicherweise war es sogar zu einem leichten Anstiegsflackern auf der Glaubensampel der Keuschheitsgottheit Sitzam gekommen. Wo immer Sitzams neue Jünger auch herkamen, sie mußten wahrlich aus einem eigenartigen Ort stammen. Nun, er würde es bald erfahren. Im Augenblick war Happa recht zufrieden, daß seine Gottheiten an der Bekehrungsfront gut zurande kamen. Eigentlich war ihm danach zumute, vor Freude laut aufzuschreien.
Er pfiff ein fröhliches Liedchen vor sich hin, schlenderte an geparkten Silberwolken vorbei und hatte es zum ersten Mal nicht besonders eilig, seinen Platz an der Hohen Tafel einzunehmen.
Dann erblickte er vor sich eine dem Ausgang zustrebende, deutlich übergewichtige Gestalt, und konnte sich nicht mehr beherrschen. Er beschleunigte seinen Schritt und rief winkend: »He, Syffel! Ist heut nicht ein toller Tag?«
Syffel erstarrte mitten in der Bewegung. Der Schreck hatte ihn gelähmt. Er traute seinen Ohren nicht. »Toller Tag?« Natürlich war heute ein toller Tag. Sie lebten doch schließlich im Hymmelreich.
»Willst du mir irgendwas erzählen?« sagte Happa grinsend und holte Syffel keuchend ein.
»Er … zählen?« prustete Syffel leicht besorgt. Es war mindestens vierhundert Jahre her, seit Happa ihn direkt angesprochen hatte. Und damals hatte er ihn nur gebeten, ihm den Pfeffer zu reichen. Syffel kratzte sich am Kopf. Auf was wollte er hinaus? Über welches Ereignis der letzten Jahrhunderte wollte er etwas hören? Im Augenblick fiel ihm nur eines ein, und das war sein Geheimnis.
»Na los, Syffel, was ist dein Geheimnis, häh?« sagte Happa, während sie weitergingen, auf merkwürdig konspirative Weise. Seine Ohren glänzten im Schimmer der Intrige.
»Ge … heimnis?« prustete Syffel. Wußte Happa etwa von Zorn?
»Jo. Komm schon, erzähl’s mir. Ich brauche schließlich nicht noch mehr Jünger, oder? Solange Luitschi Fabritzi in der Küche ist, habe ich jede Unterstützung, die ich von euch brauche. Na los, wo nimmst du die ganzen neuen Jünger her?«
Syffel wäre beinahe erstickt. Es stimmte. Sein Hausmissionar hatte endlich geliefert. »Jünger?« fragte er, bewußt ausweichend. Es zahlte sich nicht aus, seine Tricks auszuplaudern. Mit Betrug kam man im Hymmelreich nicht weit.
»Tu doch nicht so«, grollte Happa und musterte ihn finster unter seinen buschigen Augenbrauen. »Was machst du heute anders als früher, häh? Deine Glaubensampel schlägt fast einen Salto.«
Innerlich tat Syffel einen freudigen Luftsprung, boxte wild in die Luft und schrie auf. Es hatte geklappt! Die Zahl seiner Getreuen stieg an! Es war Happa schon aufgefallen. Schon jetzt brachte ihn dieser Nachrichtenfetzen einen ersten spürbaren Schritt näher an die Hohe Tafel heran. Happa hatte recht, es war wirklich ein toller Tag!
Doch die Antwort warf hundert verschiedene verzweifelte Fragen auf: Wie stand er im Vergleich mit Lyblich da, seinem Erzrivalen? Es war zwar vollkommen unprofessionell, sich gezielt danach zu erkundigen, aber er mußte es wissen. Zwei Wochen Wartezeit konnte er nie und nimmer ertragen.
Syffel hielt Happa die Tür auf und fragte: »Der Anstieg meiner Seelenzahlen … ähm … Ist er ungewöhnlich, oder gibt es andere, die einen ähnlichen Trend aufweisen?«
»Was, zum …« war die einzige Antwort, die er erhielt, denn Happa stieß gegen den letzten Mann einer riesigen, lustlos mit den Füßen scharrenden Götterschlange. »Was geht hier vor?« brüllte er, schubste sich durch die Reihe und erzwang sich einen Weg zum Eingang von Manna Ambrosia.
Syffel war versucht, sich einzureden, alles sei in bester Butter. Hätte Happa ihn etwa gefragt, wenn die Anzahl seiner neuen Anbeter im Wolkenpark nicht so unheimlich wie einmalig gewesen wäre?
Happa schlug sich allmählich zum Anfang der Schlange durch. »Was geht hier vor? Warum steht ihr alle hier herum?«
»Maßnahmen«, erwiderte Pyngel, der für Terminpläne, Versammlungen und Lebenswichtige Zusammenkünfte zuständig war, mit amtlicher Miene.
»Was?« prustete Happa, der immer schneller zu dem Schluß kam, daß der Tag mit jeder Minute weniger ›toll‹ wurde.
Pyngel richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er konnte sein selbstzufriedenes Lächeln kaum verbergen, als er sich darauf vorbereitete, die üble Desertion einer Kollegengottheit zu melden. »Platzl ist nicht gekommen!« meldete er. »Es wäre völlig unentschuldbar von uns, wenn wir annähmen, genau zu wissen, wo sich unsere persönlichen Sitzplätze
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