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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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tun mußt. Hast du deine Peitsche?«
    Nabob nickte. Zu mehr hatte er keine Gelegenheit.
    Schoysal, den das Risiko offenbar nicht scherte, sich den Gebetswellen aus nächster Nähe auszusetzen, schob fünf Gottheiten auf sein Fuhrwerk, knallte die Hecktür zu und rumpelte in einer Wolke aus scharlachrotem Staub durch die Gasse. Sein Geist jubelte in der teuflischen Belohnung eines sicher feststehenden Sieges. Wie wollte sich Byrernst gegen die kritische Masse der in Kürze auf ihn einstürmenden Gebetswellen schützen? Seine Laufbahn würde todsicher explosiv enden.
    Schoysals Peitsche schlug fest auf die schneller werdende Stalagmotte ein, und als sie sich einer scharfen Linkskurve näherten, stach er in ihre rechte Seite. In einer Sekunde war das Fuhrwerk um die Ecke gebogen und verfehlte um nur wenige Zoll eine einsam vor sich hinschlendernde Gestalt, jedoch nur deswegen, weil sie sich zur Seite warf.
    Ex-Prediger Ölyg der Dritte lag in einem zerknitterten Haufen am Gassenrand und stöhnte elend, als sich der Staub um ihn herum wieder legte. Es war ungerecht. Es war wirklich ungerecht. Seine einzige Hoffnung, aus Höllien fortzukommen, war über die Schleimau entschwunden und hatte sich als Blinder Passagier auf ein Boot geschlichen, dessen Ziel alles andere als gewiß war. Hätte er ihm die Chance gegeben zu glauben – er wäre gewiß gerettet worden. Hätte er doch nur den Mut aufgebracht, sich ebenfalls an Bord zu schleichen. Ölyg brummelte enttäuscht vor sich hin. Sein ganzes Leben war völlig sinnlos gewesen, und der Rest der Ewigkeit sah auch nicht so aus, als hielte er Verbesserungen für ihn bereit.
    Er wünschte sich von ganzem Herzen, er wüßte, wo sich der Mietprediger Zorn gerade aufhielt. Er sandte allen, die ihn vielleicht hörten, ein stummes Gebet, ihm einen Tip zu geben, wo er zu finden war. Zurückgewiesen und ausgegrenzt rappelte er sich wieder auf die Beine und beschloß willkürlich, die Gasse zu seiner Rechten zu nehmen. Vielleicht fand er einen Rückweg in ein Irgendwo, das er zwischen dem Jetzt und der Ewigkeit kannte.
    Er schlurfte seufzend weiter.
    Er ging dreißig Fuß in die Finsternis hinein, dann blieb er stehen, legte den Kopf schief und lauschte.
    Einen Augenblick lang glaubte er, das Gebrabbel begeisterter Stimmen und das tumultoide Klappern laufender, mit jeder Minute lauter werdender Hufe zu hören. Einen anderen Augenblick lang war er ziemlich sicher, daß die Stimmen »Zorn! Zorn!« riefen, aber er gab diese Vorstellung als traurige Täuschung einer bitterlich leidenden Seele auf, die in den wirbelnden Qualen Hölliens auf sich allein gestellt war.
    Er irrte sich.
    Der Stimmenchor und der Hufschlag wurden lauter, beides brandete betäubend in seinen Ohren, bis plötzlich eine wilde Meute ehemaliger Einwanderungsbeamter um die Ecke fegte und in erbarmungsloser Unaufhaltsamkeit auf ihn zustürmte. Und dort, hoch auf der Flut der schäumenden Dämonen, zappelte die schreiende, in eine Soutane gekleidete Gestalt Zorns, der wie ein Maskottchen auf dem führerlosen Zug des Verlangens getragen wurde – des Verlangens nach Fileda-Grubenhandschuhen! Des Verlangens, das der Obertotengräber Byrernst erfüllen mußte!
    Ölyg rappelte sich erneut aus der Gosse auf, hob verzweifelt eine Hand und schloß sich keuchend der Meute an. »Oi!« schrie er klagend. »Warten Sie! – Zorn! Kommen Sie zurück! Ich möchte mit Ihnen sprechen! Nun rennen Sie doch nicht so schnell!«
     
    Happas Silberwolke fegte über Manna Ambrosia am Firmament entlang, bremste ab und hielt an ihrem beschilderten Parkplatz. Er pfiff leise vor sich hin, stieg ab und eilte zum Ausgang. Dieser führte zum Haupteingang. Ein keckes Liedchen kam über seine Lippen. Er war heute gut gelaunt.
    Er hatte gerade die neuesten zweimonatlichen Seelenzahlen abgelesen, und zum ersten Mal seit mehreren Jahrhunderten sah es so aus, als hätten gewisse Leute den Göttern tatsächlich Beachtung gezollt. Wo sie herkamen, wußte er zwar nicht genau, aber plötzlich waren fast alle Zahlen gestiegen. Es war nicht der winzige Anstieg, zu dem es kurz vor größeren religiösen Festivitäten immer kam; nein, es war fast so, als hätten einige eifrige Missionare einen nagelneuen Kontinent entdeckt, auf dem man vom Glauben noch nie etwas gehört hatte. Der mit den Glaubensampeln sämtlicher Gottheiten gefüllte Raum summte in konstruktiver, feuriger Intensität, und jeder neue Glaubensfunke trug zu dem leuchtenden Glühen

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