Das göttliche Dutzend
Verabschiedung der Zügigkeits-Charta auch gar nicht mehr«, schimpfte Angela. »Lästig ist das! Der Einsatzleitung zufolge müssen wir alle frisch verstorbenen innerhalb von drei Minuten anliefern, da sie sonst unruhig werden und schlecht gelaunt sind. Und so was kann im Hymmel eben einfach nicht angehen. Trotzdem, Angelika und ich sind ein tolles Team!«
Mit flatternden Flügeln bremsten sie ab und rauschten durch eine gigantische Pforte, die auf einer eigenen Wolkenbank zu schweben schien.
»Hübsch, nicht?« stellte Angelika fest und deutete auf die goldene Filigranarbeit und das dekorative Furnier.
»Es begeistert Angelika jedes Mal«, sagte Angela. »Aber die kann man halt noch mit ein paar Karat und einer ordentlichen Ladung Trockeneis begeistern. Ich find ja, sie hätten das alte Fallgatter behalten sollen. Es hatte so einen rustikalen Charme. Aber nichts da. Wieder die verflixte Zügigkeits-Charta.«
»Die da oben meinen, daß der vertraut aussehende, hübsche Eingang beruhigender ist. Nicht so traumatisch«, warf Angelika ein.
»Gib den Leuten, was sie kennen. Dann fühlen sie sich besser«, brummte Angela. »Ich möchte nur mal wissen, wer sich die Sache mit der goldenen Hymmelspforte ausgedacht hat.«
»Das waren die Propheten, glaube ich. Und ich bin froh, daß sie es getan haben. Ich find’s hübsch«, flötete Angelika begeistert, bevor sie ihre Fluglage korrigierte und zu einer gelungenen Landung ansetzte. Zorn sah sofort, daß sie dies schon oft gemacht hatte.
»Wer es sich auch ausgedacht hat, er konnte nicht mit Geld umgehen, das steht fest. Der glaubt wohl, Geld wächst hier oben auf den Bäumen?« beschwerte sich Angela. Sie wandte sich zu Zorn um und fügte hinzu: »Beinahe hätten sie wegen dem Ding ein paar hundert Cherubime entlassen müssen. Hat ein Vermögen gekostet!« Er konnte sich gut vorstellen, daß sie sich genauso über einen halbhohen Zaun zwischen zwei benachbarten Wolkenbänken beschwerte.
Die beiden plaudernden Engel setzten Zorn mit der denkbar sanftesten Landung ab und führten ihn zum Ende einer langen Schlange, die an der Landerampe begann.
Angelas Beschwerden brachen wieder aus. »Das ist ja mal wieder typisch!« stöhnte sie, als sie die Reihe der Neuankömmlinge betrachtete. »Wir geben unser Bestes, euch so schnell wie möglich herzubringen, und was passiert? Wir müssen warten, während sie euch abfertigen! Pah! Also, der Zügigkeits-Charta zufolge soll das hier nicht länger als zwei Minuten dauern, aber so wie das …«
»Guten Tag, meine Damen«, ertönte eine ausgesprochen melodische Stimme hinter ihnen.
»Jetzt hast du’s geschafft!« flüsterte Angelika aufgebracht aus dem Mundwinkel. »Du und deine große Klappe! Ich habe dich tausendmal wegen deines ewigen Kritisierens gewarnt. Das gefällt denen nämlich gar nicht.«
»Viel zu tun heute, was?« unterbrach sie der große Bärtige, wobei er auf seinen Nasenflügel trommelte.
»Darüber habe ich gerade mit meiner Kollegin hier gesprochen«, fing Angela an, bevor sie von der unschuldig lächelnden Angelika einen beherzten Tritt gegen ihr Engelsschienbein bekam.
Der Bärtige stellte sich zwischen die beiden, legte übertrieben kameradschaftlich die Arme um ihre muskulösen Schultern und lächelte. »Wie wär’s mit ’ner kleinen Erfrischung?« fragte er und schob Zorn mit einem gut gezielten Sandalentritt hinter sich.
Noch bevor die Engel antworten konnten, erschienen in ihren Händen zwei Becher mit goldenem Met, die förmlich danach schrien, getrunken zu werden.
Syffel grinste, als sie schüchtern einen Knicks machten und sie ohne Zögern leerten. Die Arbeit für das Hymmelfahrtskommando machte durstig. Im Handumdrehen erschienen zwei neue Becher, und wieder kippten sie den Inhalt sofort in sich hinein.
Als Angelika und Angela ihre Aufmerksamkeit diesmal ganz den Getränken widmeten, drehte sich Syffel zu Zorn um und deutete auf einen weit entfernten Felsen in einer dunklen Ecke. »Versteck dich«, flüsterte er.
»Es ist wirklich sehr nett von Ihnen, das muß ich schon sagen«, bedankte sich Angela mit einem nur als engelsgleich zu bezeichnenden Lächeln. »Man wird doch ziemlich durstig, wenn man jemanden wie den alten Knaben da abholt … Moment mal! Wo ist er denn hin?« Sie drehte sich auf der Suche nach Zorn verzweifelt im Kreis. »Er ist verschwunden! Ich habe doch auf den ersten Blick gewußt, daß er Ärger macht.«
»Er ist abgehauen!« stimmte Angelika ein.
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