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Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen

Titel: Das göttliche Mädchen - Carter, A: Das göttliche Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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konnte nicht mehr als ein paar Jahre älter sein als ich, höchstens zweiundzwanzig, und selbst das war schon großzügig geschätzt. Und er war zu schön, um hier mitten in den Wäldern herumzulaufen. Er hätte auf den Titelseiten von Modemagazinen sein sollen, statt seine Zeit unbeachtet auf der Oberen Halbinsel Michigans zu vergeuden.
    Aber seine Augen fesselten meine Aufmerksamkeit. Selbst in der herrschenden Dunkelheit leuchteten sie hell, und es fiel mir verdammt schwer, mich von seinem Blick loszureißen.
    „M-meine Freundin“, setzte ich mit zitternder Stimme an. „Sie ist …“
    „Sie ist tot.“
    Sein Ton war so sachlich und endgültig, dass sich mir der Magen umdrehte. Das bisschen Abendessen, das ich runtergekriegt hatte, verabschiedete sich wieder, als mich die grauenvolle Realität dieses Abends traf wie ein Blitz.
    Schließlich, als das Würgen aufhörte, setzte ich mich wieder auf und wischte mir den Mund ab. Henry hatte Ava so hingelegt, dass sie aussah, als würde sie schlafen, und jetzt fixierte er mich mit seinem Blick, als wäre ich ein scheues Tier, das er nicht verjagen wollte. Betreten schaute ich weg.
    „Sie ist also deine Freundin?“
    Ich hustete schwach, während ich versuchte, das Schluchzen hinunterzuschlucken, das in mir aufzuwallen drohte. War sie das? Natürlich nicht. „J-ja“, brachte ich heraus. „Warum?“
    Ich hörte Stoff rascheln und öffnete die Augen. Henry war dabei, seinen Mantel über Ava zu breiten. So, wie man Leichen bedeckt. „Ich wusste nicht, dass Freunde so miteinander umgehen, wie sie dich behandelt hat.“
    „Sie … Es war bloß ein Scherz.“
    „Du hast es nicht besonders lustig gefunden.“
    Nein, hatte ich nicht. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.
    „Du hast Angst vor Wasser, und trotzdem bist du hinter ihr hergesprungen. Obwohl sie dich zurücklassen wollte.“
    Überrascht starrte ich ihn an. Woher wusste er das?
    „Warum?“, fragte er, und ich zuckte hilflos mit den Schultern. Was erwartete er von mir zu hören?
    „Weil sie … Sie hatte nicht verdient zu …“ Sie hatte nicht verdient zu sterben.
    Für einen langen Moment blieb Henry stumm und sah auf Avas verhüllte Leiche hinunter. „Was würdest du tun, um sie zurückzubekommen?“
    Ich bemühte mich, zu begreifen, was er da sagte. „Zurückzu-bekommen?“
    „Zurück in dem Zustand, in dem sie war, bevor sie ins Wasser gesprungen ist. Lebendig.“
    Trotz all meiner Panik kannte ich die Antwort bereits. Waswürde ich tun, um Ava zurückzubekommen? Was würde ich tun, um den Tod davon abzuhalten, endgültig seinen Würge-griff um die letzten Fetzen meines Lebens, die er noch nicht gestohlen hatte, zu schließen? Meine Mutter hatte er schon gezeichnet, wartete in den Schatten, um sie mir wegzunehmen, rückte jeden Tag näher. Sie mochte bereit sein, aufzugeben, aber ich würde niemals aufhören, um sie zu kämpfen. Und ich würde den Teufel tun, ihm direkt vor meiner Nase ein weiteres Opfer zuzugestehen. Vor allem, da es allein mein Fehler war, dass Ava überhaupt hier war. „Alles.“
    „Alles?“
    „Ja. Kannst du ihr helfen?“ In mir flammte eine irrationale Hoffnung auf. Vielleicht war er Arzt. Vielleicht wusste er, wie man sie wieder in Ordnung bringen konnte.
    „Kate … Hast du je die Geschichte von Persephone gehört?“
    Meine Mutter liebte griechische Mythologie, und als Kind hatte sie mir die Geschichten immer vorgelesen. Doch was hatte das mit all dem hier zu tun? „Was? Ich – ja, vor langer Zeit“, antwortete ich verwirrt. „Kannst du sie wieder in Ordnung bringen? Ist sie – kannst du? Bitte?“
    Henry stand auf. „Ja, wenn du mir eine Sache versprichst.“ „Was immer du willst.“ Ich erhob mich ebenfalls, wagte gegen alle Vernunft, zu hoffen.
    „Lies noch einmal den Mythos von Persephone, und du wirst es begreifen.“ Er trat auf mich zu und strich mit den Fingerspitzen über meine Wange. Ich zuckte zurück, doch meine Haut fühlte sich an, als stünde sie in Flammen, wo er mich berührt hatte. Dann steckte er die Hände in die Taschen, unberührt von meiner Zurückweisung. „In zwei Wochen ist Herbst-Tagundnachtgleiche. Lies, und du wirst begreifen.“
    Er trat zurück und ließ mich stehen. Verwirrt wandte ich mich in Avas Richtung und fragte: „Aber was ist mit …“
    Doch als ich aufsah, war er fort. Verständnislos und mit tauben Füßen stolperte ich ein paar Schritte umher und schaute mich hektisch um. „Henry? Was ist mit

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