Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Father O’Brien vermittelte Kunst zwar recht ordentlich, aber nie wirklich fließend beherrscht und begann somit stockend und langsam. Die Bibel genügte ihr zunächst vollkommen. Aber dann lieh Claire ihr eines ihrer wenigen spannenden Bücher. Kathleen strengte sich an, und sehr bald las sie fast so selbstverständlich wie ihre Freundin. Sie fand ihre größte Freude darin, bei Nacht Michaels Abschiedsbrief hervorzuholen, den sie seit ihrer Eheschließung sorglich vor Ian versteckte. Nun, da sie fließend las, war es ihr, als hörte sie dabei seine sanfte, dunkle Stimme.
Mary Kathleen … Ich komme zurück … Wie lange war es her, dass jemand sie Mary Kathleen genannt hatte!
Ungefähr drei Monate nach dem ersten Treffen der beiden Frauen brachte Kathleen ein Mädchen zur Welt. Es war eine leichteGeburt. Die kleine Heather war winzig, Claire konnte kaum fassen, wie zierlich und wohlgeformt ihre Zehen und Fingerchen, wie süß ihr Mündchen und wie weich ihre blonden Löckchen waren. Ian war wieder mal unterwegs, aber Claire stand ihrer Freundin wie versprochen bei – wobei ihre Hilfe sich weitgehend aufs Teekochen und Aufmuntern beschränkte. Kathleen hätte nie gedacht, dass es jemals jemandem gelingen würde, sie während der Wehen zum Lachen zu bringen. Aber Claire verglich den Verlauf von Heathers Geburt so ernst und anhaltend mit der Entbindung ihrer Kuh, dass Kathleen nicht an sich halten konnte.
»Ich bin froh, dass ich nicht in dich reinfassen musste!«, erklärte Claire, als sie Kathleen das Baby schließlich in den Arm legte. Inzwischen waren auf beiden Farmen Lämmer zur Welt gekommen, und Kathleen hatte fachmännisch geholfen, als es Komplikationen gab. Claire hatte sich die Sache interessiert angesehen, aber nur ungefähr begriffen, was Kathleen tat, um die ineinander verkeilten Zwillinge nacheinander ans Licht der Welt zu holen. »Aber im Zweifelsfall hätte ich es natürlich gemacht!«
Claire selbst entband nicht so problemlos. Sie lag fast zwei Tage in den Wehen, Kathleen befürchtete ernstlich, sie würde die Geburt nicht überleben. Matt war nicht bereit, einen Arzt aus Christchurch kommen zu lassen. Als Kathleen ihn nach dem Grund fragte, verwies er auf die hohen Kosten.
»Ihr könnt das doch alleine machen!«, schimpfte er unwillig. »Bei den Viechern geht’s schließlich auch!«
»Dann werden Sie sicher tatkräftig mithelfen, wenn es so weit ist, wie damals bei der Kuh, ja?«, gab Kathleen böse zurück.
So weit kam es allerdings gar nicht. Nach den ersten Stunden, in denen Claire verzweifelt schrie und stöhnte, stieg Matt Edmunds in sein Boot und ließ sich von der sanften Strömung zum nächsten Pub tragen.
Kathleen schäumte. Zu ihrer Verwunderung erfüllte Matts Verschwinden Claire mit Hoffnung.
»Bestimmt sucht er eine Hebamme …«, keuchte sie. »… oder doch einen Arzt. So teuer kann das gar nicht sein … Er … er liebt mich doch …«
Und letztendlich erwies sich die junge Frau auch als erheblich zäher, als Kathleen sie eingeschätzt hatte. Als das Kind endlich so weit war, presste sie mit ganzer Kraft, und unter einem markerschütternden Schrei glitt ihre Tochter auf normalem Weg ins Leben.
»Ich werde nie eine Lady …«, stöhnte Claire. »Meine Mutter sagte … meine Mutter sagte, Ladys schreien nicht. Eine Lady lässt jeden Schmerz klaglos über sich ergehen …«
»Tatsächlich?«, brummte Kathleen. »Ladys brauchen wir hier aber gar nicht. Die sollen mal alle in Liverpool bleiben. Schau, was für ein hinreißendes Kind du hast! Weißt du schon, wie du sie nennen willst?«
Claire stimmte ihrer Freundin zu, dass ihre kleine Tochter entzückend war. »Ich glaube, ich nenne sie Chloé«, meinte sie. »Das passt gut zu Claire.« Sie streichelte das zarte Gesichtchen des Babys, das nach der Geburt noch etwas zerknautscht wirkte.
»Aber ich weiß nicht, ob ich das noch mal will!«, überlegte sie dann. »Ich bewundere dich, Kathleen! Dreimal diese Tortur. Ich glaube, ich finde einmal genug!«
Kathleen nahm ihr Chloé verwirrt aus den Armen und begann das Kind zu baden und zu wickeln. »Matt wird dich da wohl nicht fragen«, meinte sie dann verschämt. »Ian jedenfalls …«
»Du hast nur deshalb drei Kinder, weil Ian drauf besteht?«, fragte Claire neugierig. »Und ich dachte … also ich dachte, ich wäre die Einzige …« Sie biss sich auf die Lippen.
»Die Einzige was?«, erkundigte sich Kathleen. Ian hatte nicht Unrecht, sie sollten solche Gespräche nicht
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