Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
dass die Kinder hier herauskamen! Nicht auszudenken, dass sie irgendwann verstanden, was Bankert oder Bastard bedeuteten. Claire schien im Übrigen zu erahnen, was der Junge sagen wollte. Auch sie errötete und schlug die Augen nieder.
Kathleen atmete tief ein, holte dann aus und gab Colin eine Ohrfeige. »Halt den Mund, Colin! Sean, nimm deinen Bruder mit in euer Zimmer und hilf ihm, sein Bündel zu packen. Je ein Hemd und eine Hose zum Wechseln, ein paar Kleinigkeiten, wenn ihr sie mitnehmen wollt … ja, Sean, in Gottes Namen auch das Lexikon.«
»Hast du das noch hier?« In Claires Gesicht ging die Sonne auf.
Kathleen wandte die Augen gen Himmel, aber Colin war noch nicht geschlagen. »Hast du nicht gehört, Frau?«, fragte er im gleichen Tonfall und mit der gleichen Wortwahl wie sein Vater. Kathleen liefen kalte Schauer über den Rücken. »Ich werde bleiben. Ich renne doch nicht weg hinter Daddys Rücken! Den Buggy darfst du auch nicht nehmen. Der ist neu, den hat Daddy gekauft und …«
»Daddy«, sagte Kathleen ruhig, »hat das alles hier von meinem Geld gekauft. Wenn ich mir also einen Buggy und ein Maultier nehme, so ist er immer noch gut bezahlt für seinen kostbaren Namen!« Sie spie die Worte aus. »Und nun macht voran, Kinder!«
»So? Und was willst du tun?«, fragte Colin provozierend. »Bindest du mich fest im Buggy? Fesselst du mir Hände und Füße? Dann mach’s aber richtig, Mommy – denn wenn ich freikomme, reite ich zu Dad. Ich weiß, wo ich ihn finde, Mommy! Und dann kommt er in dieses Nelson und holt dich, oder auf diese Nordinsel oder wo du dich auch versteckst!«
Claire sah ihre Freundin an. Kathleen erkannte an ihrem halb mitleidigen, halb ängstlichen Blick, dass sie dem Jungen glaubte. Und Claires Ausdruck spiegelte sich in Seans wider. Auch er traute seinem Bruder nicht.
»Irgendwann musst du mich freilassen!«, trumpfte Colin weiterauf. »Und dann geh ich zum Police Officer und zeig dich an! Und der findet dann Daddy, wenn wir zu weit weg sind!«
»Colin …«, Kathleen hatte das Gefühl, ihr bräche das Herz, »Colin, verzeih die Ohrfeige. Aber wir können doch nicht ohne dich gehen! Wir gehören doch zusammen.«
»Ich gehöre zu Dad!«, rief Colin. Er war inzwischen fast an der Tür. »Und da gehe ich jetzt hin!«
Flink wie ein Wiesel flüchtete der Junge aus der Küche. Sean zögerte keinen Augenblick. Er setzte ihm nach.
»Wir können ihn doch nicht hierlassen«, sagte Kathleen ratlos.
Claire goß ihr Tee ein. Jetzt war sie diejenige, die mit klarem Kopf überlegte. »Wir können ihn auch nicht mitnehmen!«, erklärte sie dann entschlossen. »Er wäre ein Unsicherheitsfaktor! Er war es immer, erinnere dich an den Ausflug nach Christchurch.«
»Aber er ist doch noch ein kleiner Junge«, flüsterte Kathleen. »Er ist nicht böse …«
Claire zuckte die Achseln. »Bei kleinen Jungen gibt es zwischen gut und böse keine großen Unterschiede«, bemerkte sie dann. »Colin steht unter dem Einfluss seines Vaters. Er liebt ihn, und das soll er ja auch, und er bewundert ihn. Für Colin macht Ian keine Fehler. Aber du, Kathleen, du machst in seinen Augen eine Menge Fehler, er hört sich seit Jahren an, was Ian dir vorwirft. Du musst mir einmal genau erzählen, was da passiert ist. Sean …«
Kathleen nickte, legte dabei aber den Finger vor den Mund. »Nicht vor den Mädchen«, sagte sie leise.
»Aber wenn ich ihn jetzt zurücklasse, das heißt doch … das heißt doch, ihn aufgeben.«
Claire sah ihr in die Augen. »Du kannst Colin aufgeben oder dich aufgeben«, sagte sie hart. »Oder sollte ich sagen ›Sean aufgeben‹? Denn wenn der einmal begreift, was du für ihn getan hast … wenn du heute gehst, mag er dich dafür lieben. Wenn du bleibst, wird er dich hassen!«
Kathleen spielte mit ihrer Teetasse. In dem Moment öffnete sich die Tür, und Sean kam herein.
»Er ist weg«, rief er außer Atem. »Tut mir leid, Mommy, aber er war schneller als ich. Er ist Richtung Wald. Ich gehe jetzt in den Stall und bewache die Tiere. Er darf das Pferd nicht kriegen, sonst ist alles aus.«
»Das heißt, du willst … das Pferd mitnehmen?«, fragte Kathleen schwach.
Sean nickte. »Es bleibt uns nichts anderes übrig. Zum Glück haben wir ja zurzeit nur das eine. Aber wenn wir ihm ein Reittier lassen …«
»Er wird wiederkommen!«, flüsterte Kathleen. »Wenn wir ein bisschen warten.«
Sean verdrehte die Augen. »Klar. Er kommt wieder, wenn er Hunger kriegt. Und dann? Willst du ihn
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