Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
anbinden?«
»Geh in den Stall, Sean«, sagte Claire, »und spann die Maultiere an. Wir kommen in einer halben Stunde.«
Sean trat von einem Fuß auf den anderen. »Mommy?«, fragte er.
Kathleen biss sich auf die Lippen. »Tu, was Tante Claire dir sagt, Sean.«
Kathleen packte ihre Schnittmuster und Zeichnungen ein, Kleidung für sich und Claire. Zum Glück war sie die größere der Frauen, sie würde die Sachen für die Freundin ändern können. Zuletzt holte sie das Geld aus ihrem Geheimfach im Kamin. Kein Vermögen, aber zusammen mit Claires Ersparnissen würde es für ein kleines Geschäft reichen. Sie überlegte, ob sie einen Teil von Colins wertvoller Kleidung für Sean mitnehmen sollte, aber dann schrak sie davor zurück. Zweifellos würde Colin mit der Vorstellung aufwachsen, seine Mutter sei eine Diebin und eine Hure, aber sie wollte wenigstens ihren Sohn nicht bestehlen. Sean würde auch nichts von Colins Sachen wollen. Also packte sie nur seine eigenen Anzüge und das Lexikon ein.
Sean fuhr den Wagen bereits vor, als sie mit ihren wenigen Habseligkeiten aus dem Haus kam.
Claire hatte Heather beim Packen geholfen und dabei auch einpaar Sachen für Chloé mitgenommen. »Das ist dir doch recht?«, fragte sie verlegen.
Kathleen winkte ab.
Der Buggy war ein vierrädriger Wagen, verhältnismäßig neu und fast ein bisschen herrschaftlich. Ian fuhr damit vor, wenn er den Stadtleuten Carossiers verkaufte. Man konnte den schwarzen Pferdewagen ein- oder zweispännig fahren, und Sean hatte jetzt Kathleens und Claires Maultiere davorgespannt. Das Eselchen war hinten angebunden. Das Pferd lief ebenfalls nebenher. Es trug nach Colins Ritt noch Sattel und Zaumzeug. Der Junge war also bei Claires Ankunft deshalb so schnell in der Küche gewesen, weil er sich nicht die Mühe gemacht hatte, das Tier abzusatteln. Oder hatte er bereits im Hinterkopf gehabt, mit dem Pferd zu seinem Vater zu fliehen?
Sean räumte den Bock für Kathleen und ging zu dem kleinen Rappen. »Ich dachte, ich reite, dann habt ihr mehr Platz im Wagen«, meinte er und befestigte sein Gepäck am Sattel.
Die Frauen nickten, die Mädchen nahmen ihre Bündel und kletterten auf die Rücksitze des Buggys. Kathleen verstaute ihre Sachen unter dem Bock. Gleich darauf waren sie unterwegs.
»Nelson … wie weit ist das überhaupt?«, fragte Claire, während Kathleen die Zügel ergriff.
»Um die zweihundert Meilen, vielleicht mehr«, gab Kathleen knapp Auskunft.
»Und Colin kommt wirklich nicht mit?«, fragte Heather kläglich von hinten.
Das kleine Mädchen sah unglücklich zurück. Die Farm am Avon verschwand eben hinter einer Wegbiegung.
»Schätzchen, Colin hat gedroht, uns zu verraten, wenn wir ihn zwingen, mitzugehen.« Bei Claire klang es, als hebe sie eben zum Erzählen einer Geschichte an, die sich vor langer Zeit vielleicht am Artushof zugetragen hatte. »Deshalb mussten wir ihm seinen Willen lassen.«
»Der Mistkerl verrät uns sowieso!«, bemerkte Sean, der nebendem Buggy hertrabte. »Wir sollten nicht über Hauptstraßen reisen, Mommy … vielleicht sogar einen Umweg machen.«
Kathleen schüttelte den Kopf. »Ich weiß«, sagte sie mit schmalen Lippen. »Ich wusste es sofort, auch … auch wenn ich es nicht glauben wollte. Deshalb habe ich überhaupt gesagt, wir fahren nach Nelson. Aber Nelson ist zu weit, Sean. Der Weg über die Berge ist ein Abenteuer, da kommen wir nicht durch mit dem Buggy, das geht nur zu Fuß oder mit Pferden. Und dann Kaikoura … das Walfängerlager … zwei Frauen und zwei Mädchen … das ist einfach zu riskant, Sean, obwohl du mit der Nordinsel zweifellos Recht hast.«
»Wohin fahren wir denn dann?«, fragte die überraschte Claire, während Kathleen nach Süden abbog.
Kathleen traf ihre endgültige Entscheidung.
»Zu den Schotten. Nach Dunedin.«
K APITEL 6
Lizzies gottgefälliges Leben bei den Busbys währte über sieben Jahre.
Für die Nordinsel Neuseelands waren es aufregende Jahre, und der Haushalt James Busbys stand oft im Zentrum der Ereignisse. Nachdem die Einwanderung von Menschen aus England, Irland und anderen Teilen Britanniens zunächst schleppend erfolgt war, kamen die Neusiedler seit Schließung des Vertrags von Waitangi in Scharen. Städte wurden gegründet, landwirtschaftliche Gebiete und Kohlevorkommen erschlossen. Als Councillor der Bay of Islands organisierte James Busby Landvermessungen und Straßenbau, empfing die bedeutenderen Einwanderer und kredenzte den Besuchern seinen
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