Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
an, Michael Drury! Der verlorene Sohn! Brachte man dich nicht in Ketten ans andere Ende der Welt?«
Michael versuchte, sich zu fangen. »Hier ist das andere Ende der Welt«, sagte er mühsam. »Und was Ketten angeht, die kann man abwerfen. Aber du … Father O’Brien sagte mir, du … du und Kathleen … ihr wäret in New York.«
Ian Coltrane lachte schallend. »Ach? Hat er das gesagt, der gute Father? Dann wird er Gott ja irgendwann mit einer Lüge auf dem Gewissen gegenübertreten müssen! Womöglich treffen wir ihn in der Hölle.«
Michael ballte die Hände zu Fäusten. Er wusste nicht, ob er auf den alten Priester wütend war oder auf Coltrane, der ja zumindest für O’Briens Lüge nichts konnte. Eigentlich gab es überhaupt keinen Grund, Wut auf Ian Coltrane zu verspüren.
Michael versuchte, seine Eifersucht und seinen Drang, in Ians grinsendes Gesicht hineinzuschlagen, niederzukämpfen. Er musste mit Ian reden. Er musste wissen, ob Kathleen … O Gott, sie konnte in Tuapeka sein! Immer mehr Frauen begleiteten ihre Männer auf die Goldfelder. Michael wurde gleichzeitig kalt und heiß, sein Herz raste. Aber er musste sich beherrschen.
So gelassen wie möglich wies er mit dem Kinn auf den Platz vor dem Laden. »Ist das … mein Sohn?«, fragte er.
Coltrane schüttelte den Kopf, immer noch das provokante Lächeln auf dem Gesicht.
»O nein, Mr. Drury, das ist meiner! Und das weiß ich sicher, ich habe die liebe Mary Kathleen nicht aus den Augen gelassen, nachdem sie wieder leer war und reif für mich.«
Michael biss sich auf die Lippen und kämpfte schon wieder gegen aufwallende Wut. Wie sprach dieser Mann von seiner Frau? Wie redete er über Mary Kathleen? Und doch fühlte Michael sich fast erleichtert. Der Junge auf dem Vorplatz hatte ihm nicht gefallen, auch wenn er unverkennbar Kathleens Züge trug.
»Und wo ist sie jetzt?«, brach es aus Michael heraus. »Und wo ist mein … wo ist … der andere …«
Ian wurde ernst, ein Schatten flog über seine Züge, der Michael erschrecken und Böses ahnen ließ.
Tatsächlich dachte Ian aber nur fieberhaft nach. Sollte er seine Schmach eingestehen? Zugeben, dass Kathleen ihn verlassen hatte? Womöglich gar, um sich auf die Suche nach diesem Kerl zu begeben, den sie immer geliebt hatte? Und vielleicht war sie ihm sogar nahe gekommen – dieser Pfaffe ritt ihr Maultier … Hatte er es wirklich in Christchurch gekauft? Ian sog scharf die Luft ein.
»Kathleen ist tot«, sagte er dann fast beiläufig. »Sie starb bei der Geburt von Colin.« Er wies auf den Jungen draußen. »Vorher hatte sie dein Bastard schon fast umgebracht, sie war nicht gemacht fürs Kinderkriegen. Zu schwach, zu zierlich. Das erste Kind kam dann auch tot zur Welt. Kein gutes Blut, Drury. Aber meiner ist ein Prachtkerl!« Ian lachte wieder. »Nichts für ungut, Drury!« Er wandte sich zum Gehen.
Michael blieb wie erstarrt stehen. Kathleen war tot. Kathleen und sein Sohn. All die Träume, all die Jahre … Aber das erklärte natürlich, warum Father O’Brien keine weiteren Nachrichten von ihr erhalten hatte. Der Priester hatte ihn sicher nicht belügen wollen. Irgendetwas hatte er falsch verstanden, und dann war der Kontakt zu den Coltranes abgebrochen. Kathleen war tot, und Ian schrieb ganz bestimmt keine Briefe. Michael empfand Übelkeit. Ohne sein Geld einzuzahlen, verließ er die Bank – sehr langsam, er wollte auf keinen Fall noch einmal auf Coltrane und seinen Sohn treffen. Kathleens Sohn … Ians Sohn, aber sein Kind war tot!
Michaels Gedanken drehten sich im Kreis. Er blickte starr geradeaus, als er durch den wachsenden kleinen Ort ritt. Überall in Tuapeka wurde gebaut. Zwar nichts Solides, nur Holzhäuser, aber es entstand eine erste Straßenzeile mit Läden, Banken, Post und dem unvermeidlichen, dem Pub angeschlossenen Stundenhotel.
Michael ließ die Grußworte, die ihm Bekannte zuriefen, unbeantwortet. Kathleen war tot … Kathleen war tot … er konnte es nicht glauben, es war zu viel!
Michael atmete auf, als er Tuapeka hinter sich ließ und den Fluss hinaufritt. Aber er wollte jetzt auch Chris nicht sehen. Irgendwann stieg er ab und setzte sich auf einen der Felsen am Flussufer. Der kleine Strand am Vartry River … die Weiden, deren Zweige das Wasser küssten … Michael nahm Abschied von seiner Geliebten, seinem Kind und seinem Traum.
Zwei Tage später kehrte Lizzie zurück.
»Was macht denn ihr für ein Gesicht?«, fragte sie vergnügt, als sie die Männer in der
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