Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
alles hier herauszuschaffen, was er nicht mehr gebrauchen konnte, aber aus irgendwelchen Gründen nichtwegwerfen wollte. Im Halbdunkel konnte man kaum etwas erkennen. Aber da, da war der Ausgang!
Michael rannte auf ein solides hölzernes Tor zu, warf sich dagegen – und fand es verschlossen. Verzweifelt suchte er nach dem Griff, vielleicht steckte ja ein Schlüssel …
»Barney!«
Es war zwecklos. Barney war entweder wieder im Pub und heuchelte Unschuld, oder er war durch eben dieses Tor hier weg. Wohl wissend, dass er Michael den Wölfen zum Fraß vorwarf, wenn er hinter sich abschloss.
Hinten im Haus durchsuchten die Rotröcke die Zimmer. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch auf den Hof kommen würden. Michael musste einen raschen Entschluss fassen. Verstecken oder versuchen, über die Mauer zu entkommen? Ersteres war sinnlos, die Männer würden den Pub durchsuchen. Auch und gerade die Gelasse im Hof, wo sonst versteckte man gestohlenen Whiskey? Aber über die Mauer mochte ein Fluchtweg führen. Wenn er auf eines der Fässer stieg … oder noch besser, ein Fass auf einen der alten Tische wuchtete …
Michael arbeitete in rasender Eile. Leider brach der erste Tisch schon unter dem Fass zusammen. Der zweite hielt. Michael kletterte hinauf, aber vom Tisch auf das Fass zu gelangen, forderte einen Balanceakt. Und da waren auch schon die Soldaten. Michael betete, dass sie ihn in der Dunkelheit nicht sofort entdeckten, aber die zwei Männer trugen Laternen.
»Da ist er!«
Michael erkletterte das Fass mit dem Mut des Verzweifelten und stemmte sich hoch, um über die Mauer klettern zu können. Aber dann ertönte ein Schuss. Michael roch Pulverdampf, ließ aber nicht nach in seinen Bemühungen.
Dennoch – es war zu spät. Einer der Soldaten war bereits bei ihm und stieß den Tisch und das Fass mit einem Fußtritt unter ihm weg. Michael versuchte, sich am First der Mauer festzuhalten, aber der Stein war schlüpfrig vom Eisregen der letzten Tage. DieFinger des jungen Mannes rutschten ab, und er fiel schwer auf den Boden.
»Michael Drury?«, fragte der Soldat und riss ihn hoch.
Michael sprach kein Wort.
»Ich weiß nicht«, flüsterte Kathleen. »An … an den Kai. Wenn Michael …«
»Wenn sie den mal nicht schnappen«, meinte Harry pessimistisch. »Ist besser, wir kriegen das erst raus. Bevor er ihnen sagt, dass du am Kai auf ihn wartest.«
Kathleen fuhr auf. »Er würde mich nie verraten!«
Harry zuckte die Schultern. Dabei schien er zu überlegen. »Pass auf, Lady, folg mir, ich bring dich zu Daisy. Da fällst du nicht auf … na ja, schon ein bisschen, so wie du aussiehst. Aber wird schon werden. Zeig ihr bloß nicht die Börse, sonst bist du sie los …«
Der Kleine schob sie energisch in eine Seitengasse, aber Kathleen wehrte sich, als sie aus Barney’s Tavern Lärm vernahm.
Ein Schuss …!
»Michael … Michael, ich muss zu ihm …«, jammerte Kathleen.
Harry hielt sie mit ungeahnter Kraft am Kleid fest. »Nichts da, jetzt hab ich dich da rausgehauen, und du willst wieder rein? Biste verrückt? Womöglich jagen sie mich auch noch, wenn du dich zu erkennen gibst!«
»Aber ich …«
Immerhin war Harry genauso neugierig, wie Kathleen verzweifelt. Er zerrte sie zumindest nicht weiter, sondern hielt sie nur hinter der Ecke fest. Die beiden spähten hinüber zum Pub, aus dem jetzt Rufe und weiterer Lärm zu hören waren. Und dann ging die Tür auf. Zwei Rotröcke schleppten einen Mann heraus. Er wehrte sich. Michael war gefesselt, aber offensichtlich unverletzt.
»Sag ich doch, dass sie den kriegen«, bemerkte Harry. Dann nahm er Kathleens Hand. »Komm jetzt, dem kannste nicht mehr helfen. Sie hängen ihn schon nicht gleich! Kannst morgen fragen, wo sie ihn hingebracht haben. Aber jetzt erst mal weg hier!«
Kathleen konnte nicht mehr denken. Sie war starr vor Angst und Grauen über Michaels Schicksal. Was würden sie mit ihm machen? Hatte Harry das ernst gemeint mit dem Hängen? Sie würden doch niemanden dafür hängen, dass er drei Säcke Korn gestohlen hatte!
Harry zog sie in einen Hauseingang, über dem ein rot bemaltes Schild hing, auf dem »Daisy’s« stand. Mehr nicht, aber man brauchte nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was sich dahinter verbarg.
Kathleens Entsetzen wurde immer größer.
»Aber das ist … ich kann doch nicht …«
»Miss Daisy tut nichts«, beruhigte sie der Junge. »Und die Mädchen erst recht nicht. Jedenfalls beklaun sie keine Armen, und mir geben sie
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