Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
als Michael. Auch sein Vater war Pächter bei Lord Wetherby, aber er war viel bessergestellt als die anderen. Patrick Coltrane arbeitete seine Pacht nicht ab, er bezahlte sie aus den Erlösen seines Viehhandels,und er war auch nicht abhängig von der eigenen Kartoffelernte. Sein Land diente vor allem der Tierhaltung. Die eigene Nahrung baute er nicht oder nur teilweise selbst an.
»Zumindest nicht für Kühe und Schafe …«, fügte Ian fast verächtlich hinzu. »Was soll’n die auch fressen? Die Leute buddeln doch selbst die letzten Wurzeln aus dem Boden.«
»Aber Pferde kann man verkaufen?«, wunderte sich Kathleen.
Ian lachte. »Ein paar reiche Herren gibt es immer … in Wicklow und Dublin braucht mancher ein Pferd – oder will eins. Man muss ihm nur klarmachen, das mache den Krämer zum Lord! Und auf dem Land sind die Gäule zurzeit billig …«
Kathleen überlegte, wie viel Ahnung diese Krämer wohl von Pferden hatten. Womöglich kauften sie wirklich den alten Blackbeard, wenn Ian ihnen weismachte, der Gaul käme aus den Ställen Lord Wetherbys.
»Aber auf die Dauer bleib ich nicht hier!«, verriet Ian ihr schließlich. »Nicht viel Geld in diesem Land. Genug zum Leben, aber wenn man ein bisschen mehr will … nein, mich zieht’s übern großen Teich! Ich will mein Glück machen!«
»Wirklich?«, fragte Kathleen, plötzlich sehr interessiert.
Der Pferdehändler war der Erste, der nicht aus purer Not von Auswanderung sprach, sondern sich ehrlich auf das neue Land zu freuen schien.
»Ein … ein Freund von mir spricht auch davon«, sagte sie. »Und ich … ich …«
Ian warf ihr einen Seitenblick zu. »Du hättst auch Lust? Also, damit bist du die Ausnahme. Die meisten Mädels, denen man von der neuen Welt erzählt, kriegen nur das große Zittern …«
»Na ja, die Überfahrt …«
Ian schnaubte. »Die Überfahrt! Gut, es wird sicher ein bisschen ungemütlich, und viel zu beißen wird’s auch nicht geben. Aber verglichen mit dem, was du hier zu beißen kriegst … obwohl du mir noch ganz gut genährt aussiehst, Süße! Ein hübsches Mädchen! Und eins mit Schneid …«
Eine Weile fuhren sie schweigend weiter. Dann betrachtete Ian Kathleen, die vor Kälte zitterte, mit neuem Interesse.
»Ist dir kalt, Süße?«, fragte er scheinbar fürsorglich und zog eine Decke hervor. Er legte sie Kathleen um die Schultern, wobei er sie etwas näher an sich zog. »Komm, ich wärm dich!«
Kathleen war froh, dass sie eben das Ortsschild nach Wicklow passierten.
»Und es muss ja auch gar nicht Amerika sein …«, sprach Ian angelegentlich weiter, während seine Hand unter der Decke über Kathleens Schulter in ihren Ausschnitt wanderte.
Kathleen rückte energisch von ihm ab.
»Kannst du … kannst du mich hier bitte rauslassen?«, fragte sie.
Ian lachte. »Hier? Aber wir sind fast noch in der Wildnis, Süße …«
Tatsächlich war dies ein Vorort, in dem hübsche Cottages und Gärten zwischen kleineren Feldern lagen. Von der Innenstadt, dem Kai und Barney’s Tavern mochten sie noch zwei oder drei Meilen entfernt sein.
»Meine Tante … wohnt hier irgendwo«, behauptete Kathleen.
»Ach ja, die Tante …«, spottete Ian. »Soll ich dich nicht vor die Haustür fahren?«
Kathleen schüttelte den Kopf. »Nein … nein danke. Du hast schon genug … also, ich hab genug … ich hab deine Hilfe schon genug in Anspruch genommen. Den Rest des Weges kann ich laufen. Vielen Dank, Ian!«
Ian zog die Brauen hoch und die Zügel an. Das Gespann stoppte sofort. »Wenn du drauf bestehst … dein Wunsch sei mir Befehl! Und vielleicht sieht man sich ja mal im Dorf!« Er tippte an seine Mütze.
Kathleen kletterte vom Bock und zwang sich, ihm zuzulächeln. »Sicher, am … am Sonntag in der Kirche … wenn du mal da bist …«
Patrick und Ian Coltrane waren gerade an den Wochenendenoft auf Viehmärkten unterwegs. Weshalb Ian wohl auch nichts von ihrem Verhältnis zu Ralph Trevallion wusste. Er hätte sie sonst sicher damit aufgezogen.
Ian grüßte noch einmal und ließ die Pferde dann antraben. Kathleen hoffte inständig, ihm nie wieder zu begegnen.
Auf dem Bock des Pferdewagens hatte sie fast noch mehr gefroren als beim Laufen. Sie musste sich jetzt, ganz steif und erschöpft, zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Aber sehr weit konnte es ja nicht mehr sein.
Tatsächlich war es noch nicht einmal völlig dunkel, als Kathleen die Hauptstraße erreichte. Schon der erste Passant, den sie nach Barney’s Tavern
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