Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Haar. Ihr warmes Lächeln und ihre blauen Augen, die so ganz anders waren als die meist dunklen Augen der Mädchen seines Stammes. Für Kahu spiegelte sich der Himmel darin, der Himmel an einem Frühlingstag. Noch nicht leuchtend blau wie im Sommer, aber doch eine Verheißung. Er hatte ihre wache Art geliebt, ihren Mut und ihre Hingabe. Kahu Heke wusste, dass es einen anderen Mann gab. Kein Mädchen lebte so abgeschieden wie Lizzie in den Jahren bei Busby, wenn es nicht von Träumen zehrte. Schönen oder zerschlagenen Träumen … Kahu hatte den Widerschein von beidem in Lizzies Augen gesehen. Aber sie hatte niemals von diesem Mann gesprochen, und irgendwann musste sie ihn vergessen.
In den ersten Jahren, nachdem Kahu Lizzie auf der Südinsel abgesetzt hatte, wünschte er sich nichts mehr, als den Platz dieses Fremden in ihrem Herzen einzunehmen. Um ihr geistig nahe zu sein, wandte er sich sogar wieder den pakeha zu. Er bewarb sich um Arbeit auf ihren Farmen, zunächst sogar im Weinbau, der Lizzie so viel bedeutet hatte. Es war nicht schwer für ihn, eine Anstellung bei James Busby zu finden, aber als er dessen Wein zum ersten Malkostete, wurde ihm klar, dass er im Weinbau nichts lernen konnte. Dieses saure Zeug konnte auch Lizzie nicht geschmeckt haben, es musste etwas anderes geben. Kahu zog also weiter nach Auckland, wo die pakeha bereits ein blühendes Gemeinwesen aufgebaut hatten. Blutenden Herzens investierte er ein halbes Monatsgehalt in eine Flasche wirklich guten französischen Bordeaux – und konnte dann eher nachvollziehen, was Lizzie am Weinbau reizte. Der tiefrote Wein schmeckte erdig, besaß aber auch das Aroma reifer Früchte, Beeren oder Äpfel. Er umschmeichelte die Zunge samtig wie ein Kuss. Vielleicht war es das, was die pakeha daran faszinierte.
Kahu jedenfalls sah klare Unterschiede zu Busbys Erzeugnissen, verschaffte sich Einlass in die Bibliothek der neuen Universität und lernte schnell, dass die Qualität des Weines nur zum Teil vom Winzer abhing. Busby mochte beim Keltern seiner Weine alles richtig machen, aber auch die Traube und der Boden, auf dem sie wuchs, spielten eine Rolle. Tatsächlich musste alles zusammenpassen, damit der Wein ein besonderes Aroma entfalten konnte, auch Sonne und Regen mussten das ihre dazutun.
Kahu kam zu dem Ergebnis, dass es jahrzehntelangen Probierens mit verschiedenen Rebsorten und Erntezeiten bedurfte, um dem Boden seiner Heimat und einer passenden Rebe zu einer Verbindung zu verhelfen, die dem Kuss der Götter glich. Busby fehlte es dazu an Geduld und Fantasie. Lizzie mochte die Leidenschaft mitbringen, allerdings nicht die Kenntnisse. Und Kahu selbst fehlte es an allem. Trotz seiner Freude am Kuss der Trauben – wenn er einen Rausch wollte, so taten es auch ein paar Gläser Bier. Und wenn er ein paar mehr davon trank und ein willfähriges Mädchen fand, so konnte er sich auch vorstellen, Lizzie in den Armen zu halten.
Der Umgang mit Tieren behagte Kahu mehr als Weinbau und Feldwirtschaft – Letztere oblag in seinem Volk hauptsächlich den Frauen, während die Männer jagten. Eine Zeitlang verdingte er sich auf einer Schaffarm bei Auckland und kam dort auch gut zurecht, aber letztlich befriedigte ihn die Arbeit für die pakeha nicht. Kahu Heke interessierte sich vor allem für die Rechte seines Volkes.Inzwischen tat es ihm leid, in seiner Jugend ein solcher Heißsporn gewesen zu sein, dass er weitere Ausbildung in den Schulen der Weißen ablehnte. Das Beste wäre zweifellos ein Jura-Studium gewesen, um die pakeha mit ihren eigenen Waffen des Gesetzes und des Wortes schlagen zu können.
Kahu war ein Meister des whaikorero , der Redekunst. Er konnte sich über die Ungerechtigkeiten empören, die seinem Volk durch die Zuwanderer aus der Alten Welt widerfuhren, allerdings erklang kaum Widerhall bei den Stämmen. Wenn sich Maori und pakeha bekämpften, so ging es nur um Einzelprobleme, und die iwi und hapu beendeten den Streit sofort, wenn es zu einer Einigung kam. Den Eingeborenen war es recht, wenn die Weißen in ihren Städten nach ihrer Fasson regierten. Hauptsache, sie selbst konnten auf dem Lande an ihren Bräuchen festhalten. Kahu Heke, der weitblickender war und die Geschichte Europas studiert hatte, sah eine Katastrophe voraus. Die Weißen nahmen Freundlichkeit stets als Schwäche – das würde in Neuseeland nicht anders sein als in ihrer alten Heimat. Sie ließen die Maori gewähren, solange sie ihr Land nicht brauchten. Würden sie jedoch mehr
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